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Allgemeine Informationen für Gewährspersonen und Interessierte

Allgemeine Informationen für Gewährspersonen und Interessierte

Wer sind wir, die wir das Projekt durchführen?

Wir sind Sprachwissenschaftler_innen von den Universitäten Frankfurt, Marburg und Wien, die zusammenarbeiten, um den Satzbau der hessischen Dialekte gemeinsam zu erforschen. Als Sprachwissenschaftler_innen sind wir zunächst an der alltäglichen Sprechweise von Menschen interessiert. Wir möchten diese zuallererst dokumentieren, das heißt, für die Nachwelt aufbewahren. Darüber hinaus möchten wir erforschen, wie sich Sprechweisen voneinander unterscheiden und sie einzeln sowie hinsichtlich ihrer Unterschiede untereinander beschreiben. Unsere anspruchsvollste Aufgabe besteht letztlich darin zu erklären, wie es dazu kommt, dass es verschiedene Sprechweisen gibt und wie sie ihre jeweilige Ausprägung erhalten haben.

 

Warum erforscht man Dialekte/Mundarten/Platt?

Gesprochene Sprache ist flüchtig, das heißt, von ihr bleibt nichts, wenn man sie nicht aufzeichnet. Und wenn wir uns umsehen, sehen wir, dass die Sprechweise, die aufgezeichnet wird und erhalten bleibt, vor allem zu dem gehört, was wir „Hochdeutsch“ nennen. Hochdeutsch begegnet uns zum Beispiel in den Nachrichtenmedien, in der Literatur und in Situationen, die einen offiziellen „Anstrich“ haben. Wir haben Hoch- oder „Standarddeutsch“ vor allem im Kindergarten und in der Schule gelernt. Was Standarddeutsch ist, ist weitgehend normiert, also festgelegt, genauso wie das, was bei einem Spiel erlaubt ist oder nicht. Nur müssen die Regeln von Zeit zu Zeit neu angepasst werden, weil sich vielleicht die Art und Weise geändert hat, in der die Menschen das Spiel spielen. So verhält es sich auch mit der Standardsprache. Wenn wir Standarddeutsch aber nun erst spät, nämlich im Kindergarten oder in der Schule lernen, haben wir vorher meistens schon etwas anderes gelernt, nämlich die Sprechweise, die die Menschen pflegen, unter denen wir heranwachsen. Dialekte nehmen unter diesen Sprechweisen eine besondere Stellung ein. Sie sind diejenigen Sprechweisen, die als Einheiten auf kleine Regionen oder Orte beschränkt sind und sich stärker als andere „regional gefärbte“ Sprechweisen vom Standarddeutschen unterscheiden. Sie sind nicht auf die gleiche Weise normiert wie die Standardsprache, sondern eher „gewachsen“. Weil Dialekte lokal so stark begrenzt sind, werden sie nur mit bestimmten Menschen und in bestimmten Situationen gesprochen, nämlich mit denjenigen Personen, die denselben gleichen Dialekt gelernt haben und in Situationen des Alltags – am Esstisch, am Markt oder nach der Kirche. Daher gibt es auch unzählige verschiedene Dialekte. Es liegt somit geradezu in ihrer Natur, dass sie nicht aufgezeichnet werden. Da sie aber – abzulesen an der Art, wie sie gelernt werden – eigentlich „natürlichere“ Sprechweisen sind als Standarddeutsch, interessieren Dialekte Sprachwissenschaftler_innen besonders. Wir alle wissen, dass Sprachen sich verändern. Wir müssen nur daran denken, wie unsere Eltern gesprochen haben und wie unsere Kindergeneration spricht, um uns dies vor Augen zu führen. Als Sprachwissenschaftler_innen interessiert uns, wie Sprachen funktionieren und wie genau sie sich verändern. Was kann man wie in welchem Dialekt sagen? Welche Regeln stecken dahinter? Wie verändern sich diese Regeln? Die Sprechweisen, an denen sich diese Fragen am besten erforschen lassen, sind die „natürlichen“, alltäglichen Sprechweisen – die Dialekte.

 

Was bedeutet das Wort „Syntax“ im Projektnamen „Syntax hessischer Dialekte (SyHD)“?

Nehmen wir einen einfachen deutschen Satz: Früher wohnten wir hinter der Kirche, aber dann bauten wir noch mal neben der Schule. Man kann diesen Satz auf verschiedene Weisen beschreiben. Beispielsweise lautlich. Was entspricht in den gesprochenen Dialekten Hessens dem geschriebenen ü in früher? Osthessische Dialektsprecher_innen aus der Gegend von Fulda schreiben ö (fröher). Nordhess_innen aus Ernsthausen schreiben i (frier). Wir gehen daher davon aus, dass die Bewohner_innen von Fulda und Ernsthausen diesen Laut unterschiedlich aussprechen, wo es im Standarddeutschen ü heißt. Wenn man diese Beschreibung für alle Laute des Satzes durchführt, kann man den Satz auf diese Weise in seiner gesamten Lautstruktur beschreiben. Man kann aber auch danach fragen, was in den Dialekten die Entsprechung von -er in früher ist. -er trägt zu dem Wort mit der Bedeutung ‚früh‘ eine Steigerung bei, denn früher bezeichnet einen Zeitpunkt weiter in der Vergangenheit als früh es tut. Dies merkt man an dem Satzpaar Heute bin ich früh aufgestanden gegenüber Heute bin ich früher aufgestanden.  -er bewirkt diese Steigerung. Man kann den Satz also nicht nur lautlich beschreiben, sondern auch hinsichtlich all der Teile, die wie -er Bedeutungsveränderungen bewirken. Früher heißt nun in manchen Dialekten frieher und in anderen friehen. Das heißt, zwei ganz verschiedene Einheiten, nämlich einmal -er und einmal -en bewirken hier die Steigerung. Zusätzlich können wir schauen, ob manche Dialekte ganz andere Wörter benutzen als die Standardsprache vorgibt. So sagen die Dialektsprecher_innen um Diemelsee in Nordhessen für neben gigger. Zuletzt kann man auch den Satzbau – die sogenannte Syntax – beschreiben. Dabei geht es darum, wie all die Teile im Satz, die Bedeutungsveränderungen bewirken, kombiniert werden können. Man kann z.B. sagen Früher wohnten wir hinter der Kirche und Wir wohnten früher hinter der Kirche, aber man kann nicht sagen Früher wir hinter der Kirche wohnten. Auch in diesen Regeln – wie man die Teile im Satz miteinander kombiniert – unterscheiden sich die Dialekte.

 

Wie erforscht man Dialekte?

Der Dialekt ist auch heute noch für viele Menschen die natürlichste Sprechweise im Alltag. Dagegen schreibt fast niemand im Dialekt. Es wäre daher für alle Sprachwissenschaftler_innen eigentlich am besten, gesprochenen Dialekt aufzuzeichnen, zu dokumentieren und zu beschreiben, denn die lautlichen Eigenheiten der Dialekte mit dem deutschen Alphabet wiederzugeben, ist doch sehr schwierig. Das sagen auch viele unserer Gewährspersonen. Wir haben uns dennoch entschieden, etwas über die Dialekte in Hessen zu erfahren, indem wir zunächst Fragebögen verschickten, in denen uns unsere Gewährspersonen schriftlich Auskunft über ihre jeweiligen Sprechweisen gaben. Auf diese Weise konnten wir etwas über die Eigenarten der jeweiligen Dialekte erfahren. In einem zweiten Schritt machten wir uns dies dann zunutze und traten tatsächlich in persönlichen Kontakt mit Dialektsprecher_innen. Wir konnten sie nun gezielt auf die Eigenarten ihrer Dialekte hin befragen und dies anhand von Tonaufnahmen dokumentieren. Da diese zweite Art der Erforschung – direkter Kontakt mit Dialektsprecher_innen – logistisch, finanziell und inhaltlich sehr aufwendig ist, wurde sie durch Fragebögenerhebungen ergänzt, die ihnen vorangingen. Um zu wissenschaftlichen Erkenntnissen zu gelangen, war es von entscheidender Wichtigkeit für uns, dass die sprachlichen Daten, die wir von unseren Gewährspersonen erfragten, vergleichbar sind. Daher entwarfen wir Fragebögen und Leitfäden, mit deren Hilfe wir die Dialekte aller unserer Gewährspersonen auf die gleiche Weise erforschen konnten.

 

Wo sind Ergebnisse des Projekts einsehbar?

Die Ergebnisse sind direkt auf dieser Seite einsehbar! Sie können zum Beispiel im SyHD-atlas, unserem syntaktischen Sprachatlas, online „blättern” oder sich interaktiv Karten zu unsere Daten in SyHD-maps ansehen.
 

Wo kann man mehr erfahren über Dialekte und ihre Erforschung?

Aus der Fachliteratur, wobei wir folgende Bücher empfehlen ...

... für interessierte Laien:

  • König, Werner (2007): dtv-Atlas Deutsche Sprache. 16., durchges. u. korr. Aufl. München: Deutscher Taschenbuch Verlag.

... bei sprachwissenschaftlichen Grundkenntnissen:

  • Niebaum, Hermann/Macha, Jürgen (2014): Einführung in die Dialektologie des Deutschen. 3. überarb. u. erw. Aufl. Berlin/Bosten: de Gruyter.

... bei fortgeschrittenen sprachwissenschaftlichen Kenntnissen:

  • Schmidt, Jürgen Erich/Herrgen, Joachim (2011): Sprachdynamik. Berlin: Erich Schmidt Verlag.

 

Wozu brauchen wir die persönlichen Daten unserer Gewährspersonen?

Wir alle wissen, dass nicht alle Menschen in Deutschland Dialekt sprechen können. In einigen deutschen Regionen sind es sogar nur noch ältere Menschen. Das macht die Erforschung von Dialekten für uns Sprachwissenschaftler_innen schwierig. Denn die Regeln unseres wissenschaftlichen Arbeitens besagen, dass unsere erhobenen sprachlichen Daten von Personen mit ähnlichen Sprachbiographien stammen müssen. Wir konnten daher bei unserem Projekt nur auf bestimmte Gruppen von Menschen zurückgreifen. Um sicherzustellen, dass alle unsere Gewährspersonen die gleichen Voraussetzungen mitbrachten, um für unser Projekt geeignet zu sein, mussten wir sie nach solchen Daten wie Alter, wo sie aufgewachsen sind, ob sie längere Zeit an anderen Orten als ihrem Heimatort gelebt haben usw. fragen. So konnten wir später sagen, dass alle unsere Informant_innen ähnliche Voraussetzungen mitgebracht haben. Dies ist eine Bedingung dafür, dass unser Projekt von anderen Wissenschaftler_innen akzeptiert wird. Namen und Anschriften unserer Gewährspersonen brauchten wir einfach nur dafür, dass wir ihnen auch die Fragebögen zusenden konnten. Da wir nicht von privaten Unternehmen gefördert wurden und nicht mit solchen zusammenarbeiteten, verfolgten wir auch keinerlei wirtschaftliche Interessen. Wir können somit versichern, dass alle Daten vertraulich behandelt wurden und unseren Gewährspersonen keinerlei Kosten entstanden. 

Kasper, Simon (2018): Allgemeine Informationen für Gewährspersonen und Interessierte. In: SyHD-online.
URL: http://www.syhd.info/ueber-das-projekt/ueber-einblicke/#allgemeine-informationen-fuer-gewaehrspersonen-und-interessierte [Zugriff:24.09.2019]

Beispielergebnis: Übersetzungsaufgabe

Beispielergebnis: Übersetzungsaufgabe

„Übersetzung” nach Planquadraten

Wir haben für unser Projekt das Gebiet Hessens in sogenannte „Planquadrate“ eingeteilt. Wir haben sozusagen ein Gitternetz über Hessen gelegt. Das sieht folgendermaßen aus:

Fragen

Wir haben in jedem dieser Planquadrate einen geeigneten Ort für unser Projekt gesucht und dank unserer Kontaktpersonen und der Bereitschaft unserer Gewährspersonen gefunden. In jedem Ort waren mehrere Personen bereit, bei unserem Projekt mitzuarbeiten. Unten sehen Sie Frage 12 aus unserer ersten Fragebogenrunde. In der Tabelle darunter sehen Sie in der linken Spalte das Planquadrat, das demjenigen im obigen Gitternetz entspricht. Daneben in der rechten Spalte finden Sie die repräsentativste Antwort der Informanten aus dem Ort in dem jeweiligen Planquadrat.

Antworten

Planquadrat Antwort
11/21 Fröher wohnten wie hinger der Kerke ewer dann haf wie neben die Schole buget.
12/21 Freuer wunden wie hinger der Kerke, dann hewet wai noch mol neben der Schoule bouet.
8/20 Fröher wunten wie hinger der Kirke, abber dann baggenden wie nau mol nierven der Schoole.
9/20 Fröer wunnten wij hinger djer Kjärke, abber dann haw wij nau mol gigger djer Schkoole bogget.
11/20 Fröher wohnden wir hinger der Kerke, ower dann ha wie nau mal jegen der Schule bugget.
12/20 Freuer wuhnten wei hinder der Kerke, ower denn bauten wei noch mol newen der Schaule.
7/19 Freuen wunten wie hinger den Kirke, aber dann buggeten wie nach mol niäben den Schoule.
8/19 Freuer wunnten wi hinger diär Kirke, awwer dann hawwe nach emol gigger diär Schoule gebugget.
9/19 Froiher wunten wi hinger de Kirke, awwer dann hatt wi nau nohl näben de Schoule gebugget.
10/19 Fröher wunnten wi hinger där Kerke, eber denn hawwe nau ma gigen där Schole gebugget.
12/19 Freher wohnten mi hinger der Kerke, awwer denn hamme noch mol neben der Schule buret.
13/19 Früher wohnten me hinger der Kirche, aber dann bauten me nochmol neben der Schole.
7/18 Freuer wunnten wieh hinger diär Kiärke aber dann hawe giger de Sckaule bugget.
8/18 Fröher waunten wi hinger der Kirke äwer dann bougeden wi nach moal ginger de Schoole.
9/18 Fräuer wohnten mi hinger der Kärke, äwwer dann ham mi näben der Schaule gebugget.
10/18 Fröher wunten mie hinger der Kerke, aber dann bugeten mie noch moll neben der Schoole.
11/18 Früher hon me hiner der Kirche gewohnt, aber dann hon me noch mol neben der Schule gebuchet.
12/18 Früher home hinger d'r Kirje gewohnt, dann home na mo nähmen d'r Schule gebaut.
13/18 Früher wohnten me hinger der Kärche, awer dann bauten me nochmol geien der Schoole.
14/18 Freher hun me hinger der Kerchen gewohnt, awwer denn hume neben der Schule geboiwet.
7/17 Freuer wurnten mi hinger der Kerke aber dann buggeden mi noch mol ginger der Schaule.
8/17 Fröher wonnten mi hinger der Kerke, awwer dann hamme noch mol newen der Schole gebujet.
9/17 Früher wohnten mer hinger der Kirch, abber dann honn me noch mo gain der Schule gebugget.
10/17 Friher wohnten me hinger der Kerche, aber dann homene noch mol neben der Schule gebochet.
12/17 Frieher wohnt'me hinger der Kerche, awwer dann homme newen der Schule gebochet.
13/17 Frieher honn me hinger der Kerche gewohnt, awer dann honn me hoch mol nämen der Schule gebaut.
14/17 Freeher homme hinger der Kerchen gewuhnd, dänn homme nämen der Schule nochmo gebüwed.
15/17 Frier wohnten me henger der Kärchen, dann beubten me nach mol naben der Schule.
6/16 Frieher wöhnte ma nawe de Kerche, awwer du hu me nochmol nawe de Schüle gebeuwet.
7/16 Frier wohnten mer hänger dar Kerche, abber do bauten mer nochmol gä de Schüle.
8/16 Frieer wunnden mer hinger dr Kärche, dann hon mer noch mol bä dr Schüle geböwet.
9/16 Frieer wohnten me hinger der Kirche, aber dann boreten me noch mol näben der Schüle.
10/16 Frieher wuhnten mee heenger der Kirche, awer dann bauten mee noch mul näben der Schüle.
11/16 Friher wohnten mä henger der Kerche aber dann homme noch mo newen der Schule gebeut.
12/16 Frieher wohnten me hinner der Kärche, aber dann bowweten me noch mol hinger der Schule.
13/16 Frieher wohnten mä henger dar Kerch, aber dann bäuten me noch mol naben der Schule.
14/16 Friher wohnten me hinger der Kerchen, aber dänn böweten me nach mo näwen där Schule.
15/16 Freher wuhnten mei hinger de Kerch, ober dann hon mein noch mol hinger de Schul gebeut.
6/15 Friher wohnte mer hönner der Körche ewer do baute mer noch mol newe der Schule.
7/15 Frier wohde mer hänner der Körche, owwer da ho mer noch emo gä der Schüle gebaut.
8/15 Frier wohnde mer henner de Kärche, äwer do baute mer noch mol newe de Schule.
9/15 Friher wohnde ma henger da Kerche, awa de hon ma nochmo newe der Schüle gebaut.
10/15 Frieher wuhnten mer hänger der Kärch, awer dann bauten mer noch mul näwe der Schül.
11/15 Frieher wohnte mä hinger der Kerch, aber dann hon mä noch mo newed der Schul' gebeut.
12/15 Frier haon mä henger der Kerch gewohnt, awer dann hon mä naibe där Schul gebaut.
13/15 Frieher wohnten mäh henger da Kirsch, aber dann homme nochmoal naeben da Schuul gebeud.
14/15 Freher wuhntenm mäi henger der Kerch, dann hunn me nuchmo näeben der Schul gebeut.
4/14 Frojer wuhnden mir hinner der Keerche, ower duw baueden mir nach emol newer der Schul
5/14 Frier ho mer newe der Kerche gewohnt, awer da ho mer newe der Schule gebaut.
6/14 Früjer wuhnte m'r hiner d'r Kirche, awer do baute m'r noch e mol newe d'r Schoule.
7/14 Früer wuhnte mer hinner der Kirch ower dann hummer nochmal newe die Schol gebaut.
8/14 Fräher wuhnte mer hinner de Kirch, ewer da boute mer noch mo newe der Schoul.
9/14 Fräiher wuhnde mer hinner de Kerch, ewwer da baute mer noch mol näwe de Schoul.
10/14 Friher wohnte mer henger der Kerch, awer da baute mer noch mol newer der Schul.
11/14 Freher wohnte mer hinger de Kerch, aber dann baute mer noch morl newe de School.
12/14 Fräher wohnte mär hänger der Kärch, aber dann hon'me näbet die Schol gebeut.
13/14 Freher hommer hinger der Kerch gewohnt, dann hommer noch emol nabe der Schol gebout.
14/14 Fräher wuhnten me hinger der Kärch, ober dann boüten me noch mol nobet der Schul.
5/13 Froier wohnte mir hönner der Kirche, donn ho mir nochemol näwer de Schul gebaut.
6/13 Froiher wohnte mer hinner de Kirch, owwer doan hu mer noch moal näewe de Schul gebaut.
7/13 Froier hu mer hinner de Kirch gewuht, aber dann hu mer noch emol newe de Schul gebaut.
8/13 Froiher hu mer hinner de Kirche gewoht, awer dann baute mer newe die Schohl.
9/13 Froiher hu mir hinner de Kirch gewuhnd, oawer dann hu mir noch eamol neawich de Schoul gebaud.
10/13 Friher wohnte mer hanger de Kerch, äwer dann baute mer nochemol nau näwer de Schul.
12/13 Freher hon mei henger de Kerch gewohnt, ewer dann hon mei noch emo näwer de Schol gebaut.
13/13 Freer hon mei henger de Kerch gewohnt, äber dann hon mei näbet de Schol gebout.
3/12 Froier wunde mir henner der Kirche, awer du hu mir noch mol näwer de Schul gebaut.
4/12 Froier wohnte mir henner der Kirch, ower da ho mir nochmol newer der Schul gebaut.
5/12 Freuer hu mer hinner de Kaerch gewouhnt, oawer doann hu mer noach emoul neawich die Schul gebaut.
6/12 Freuer hun mir hinner de Kirch gewouhnt, ower dann hummer neawich die Schul gebaut.
7/12 Freuer wuhnte mer hiner de Kirch, awer dann baute mir noch e mul newe di Schul.
8/12 Froijer hunn wir hinner de Kirch gewohnt, owwer doann hunn wir nochemol newich die Schoul gebaut.
9/12 Froier wuhnte mir hinner de Kirch, awwer dann hu mer noch amo newe de Schoul gebaut.
10/12 Früher wohnte mer hiner de Kirche, ower dann ho mer noch e mol nerbe die Schul gebaut.
11/12 Freher wohnte mir henger de Kerch, äwer dann hon mir nochmo näwer der School gebaut.
12/12 Freeher hom mir henger der Kerch gewohnt, dann hom mir näebe de School gebaut.
13/12 Fröher hon mei henger de Kerch gewohnt, ewer dann hon mei noch emo näwe de Schol gebaut.
14/12 Fröher hommer hänger der Kerch gewohnt, äwwer dann hommer nochemo näwe der School gebaut.
3/11 Frojer hu mir henner der Kirch gewuhnt, auer da hu mir noch mol näwer dä Schul gebaut.
6/11 Froier hu mer hinner de Kirch gewuhnt, oawer dann hu mer noch emoul neäwich die Schul gebaut.
7/11 Freuer hu mer hinner de Kirch gewuhnt, ower dann hu mer newe de Schul gebaut.
8/11 Froier humer hinich de Kirche gewoaht, oawer dann hu mer näwich de Schone gebaut.
10/11 Freuer wohnte mir hinner der Kirche, eber dann baute mir noch nebe der School.
11/11 Früher wohnte mer hänner de Kirch, ever dann baute mer neever de Schull.
12/11 Fröher hommer henger de Kerch gewohnt, äwwer dann hommer noch emo näwe de Schol gebaut.
13/11 Fröher hommer hinger de Kirch gewohnt, eber dann hommer näbe de Schul noch emo gebaut.
14/11 Frojer hun mer henner der Kirsch gewohnt, ower do hum mer noach emol newer  der Schul gebaut.
3/10 Fruier hun mir neber de Kersch gewuhnt, ower da hun mer noch emol neber die Schul gebaut.
4/10 Froijer hummer henner de Kerch gewohnt, awer dann hummer nochemol näwer de Schul gebaut.
5/10 Früher wohnte mer henner der Kerch, obber do hummer neh e mol neber der Schul gebaut.
6/10 Froier hunn mer henner de Kirsch gewohnt, owwer do hunn mer noch emol neawe de Schul gebaut.
7/10 Froier hu mer hinner de Kirch gewuhnt, awer dann hu mer noch emoal neawer de Schoul gebaut.
8/10 Froijer hummer hinner de Kirch gewohnt, oawwer dann hummer noach emol neäwe de Schoul gebaut.
9/10 Freher wohnte mir hinner der Kirche ower dann bauten wir noch emol newe der Schaul.
10/10 Froiher ho mer hinner de Kirche gewuhnt, oaber dann ho mer noch eh mol näibesch däi Schouel gebaut.
11/10 Früher wohnde me henich de Kirch, äber dann baude me näbich de Schull.
12/10 Früher hon mer henner de Kirche gewohnt, äwer dann hon mer noch moal neawer de Schul gebaut.
13/10 Früher honn mer hängicht der Kirche gewohnt, äwer dann honn mer noch e moa näwicht die Schul gebaut.
4/9 Früher hun mer hinner de Kerch gewohnt, dann hun mer noch e'mol newer die Schul gebaut.
6/9 Frojer hun mir hinner de Kirch gewohnt, awwer dann hawwe mir nochemuel neawe de Schul gebaud.
7/9 Freuer hun me hinner de Kirsch gewund, ower dann hun me noch emol newe de Schul gebaut.
8/9 Freuher wuhnte mir hinner de Kirch aber dann hunme noch emoal newer de Schoal gebaut.
9/9 Froier hummer hinner de Kirche gewuhnt, oawer dann hummer noech emul näwich de Schoul gebaut.
10/9 Frojer ho mer neewisch de Kersche gewohnt, owwer doan ho mer noch emool neewisch de Schoul gebaud.
11/9 Friher ho mer hiner de Kirch gewohnt, äber dann habbe mer näbe de Schull gebaut.
12/9 Früher hon mer henner de Kirche gewohnt, ewer dann hon mer näwicht de Schul gebaut.
3/8 Friher hon mer henner de Kech gewahnt, aber da hon mer noch e mol neher de Schul gebaut.
5/8 Freier hun mer henner de Kerch gewohnt dann hun mer nerwer die Schul gebaut.
6/8 Friher wohnte mir hinner de Kersch, awwer dann hawe mer neber de Schul gebaut.
7/8 Frieher hawwe mer hinner de Kersch gewohnt, abber dann hawwe mer nochemal newer die Schul gebaut.
8/8 Früher wohnten wir hiner de Kerch auwer dann bauten wir noch emol newe de Schoul.
9/8 Früher ho ma hinner de Kärje gewohnt, äwer dann ho mer noch emol näwer de Schul gebaut.
10/8 Friher ho mer hinner de Kerche gewohnt, ebber doann noch e mol näber de Schull gebaut.
11/8 Früer honn mr hinnich de Kirche gewond, äbber donn hommer hald noch emol näbich de Schull gebaud.
2/7 Früher hommer henner de Kersch gewohnt, oawer doan hommer noch emol newer de Schul gebaut.
3/7 Früher honn mer hinner de Kerch gewuhnt, abber donn honn mer nochamol neber de Schul gebaut.
4/7 Früher habbe mer hinner de Kerch gewohnt, abber dann habbe mer noch emol neber de Schul gebaut.
5/7 Fräiher hun mer henner de Kerch gewohnt, awer dann hun mer noch emol näewer de Schoul gebaut.
6/7 Selligmol habe mir hinner de Kerch gewohnt, awer dann habe mer noch emol neber de Schul gebaut.
7/7 Frier homme hinne de Kersch gewohnt, awwe dann homme noch e mol näwe die Schul gebaut.
8/7 Friejer houwe mer hinner de Kerch gewohnt, un dann houwe mer newe die Schul gebaut.
9/7 Freuer's wohnde mer hinnr de Kerch, awer donn howe mer nochemol näwe de Schoul gebaut.
6/6 Friher honn mer nähwe de Kerch gewohnt, äwwer daonn honn mer noch mohl nähwer de Schul gebaut.
7/6 Friher häwwe me hinne de Kersch gewohnt, äwwe dann häwwe me noch emol näwe de Schul gebaut.
8/6 Frieer hoan mer newe de Kerch gewohnt, ewer dann hoan mer newe de Schul gebaut.
9/6 Friher hou mer hinner der Kersch gewohnt, ebe don hou mer nochmol näwe de Schul gebaut.
6/5 Früher häwe ma hinner de Kirche gewohnt, dann häwe ma näwa de Schul gebaut.
7/5 Früher häwwe mer hinner de Kerch gewohnt, äwwer daonn häwwe mer noch maol newer de Schul gebaut.
8/5 Früher hewwe mer hinner de Kesche gewohnt ewwer dann hewe me noch emol nei an de Schul gebaut.
9/5 Frier hewwe mer hinner de Kirche gewohnd, äwwer dann hewwe mer noch e-mal näwwer de Schul gebaud.
5/4 Frieher hen mer hinner de Käisch gewohnt, awer donn hen mer noch emol newer de Schul gebaut.
6/4 Friher häwe mer hiner de Kerch gewohnt, äwer donn hämer noch emol nähwer de Schul gebaut.
7/4 Frie häweme hinne de Käisch gewohnt, äwwe doann hämme nochemol nääwe de Schul gebaut.
8/4 Früher hewe mer hinner de Kaiche gewohnt, äwwer dann hewe mer noch emol newer die Schul gebaut.
9/4 Frieher hemma hinner de Kaische gewohnd, äwwer donn hemmer noch emol näwwer die Schul gebaud.
6/3 Früher henn ma hinna de Kaersch gewohnt, awa doann hen ma nochmol newa die Schul gebaut.
7/3  Früher hewe ma hinner de Käisch gewohnt, awa donn hewe ma newa de Schul gebaut.
8/3 Frieher hämma hinner de Käich gewohnt, äwwa dann hämma noch emol näwer de Schul gebaut.
9/3 Frieher hewe mer hinner de Käiche gewohnt, ewer donn hewe mer noch emol newer de Schul gebaut. 
8/2 Frieher hewwe mer newer der Kerch gewuhnt, awwer dann hewwe mer noch ämol newer der Schul gebaut.
Kasper, Simon (2018): Beispielergebnis: Übersetzungsaufgabe. In: SyHD-online.
URL: http://www.syhd.info/ueber-das-projekt/ueber-einblicke/#beispielergebnis-uebersetzungsaufgabe [Zugriff:24.09.2019]

Kurzbeschreibung der Dialekte Hessens

Dialekte in Hessen

Hessen ist dialektal sehr vielfältig. Auf dem Gebiet des Bundeslandes finden sich mehrere großflächige Dialektverbände, sodass von dem einen Hessischen nicht die Rede sein kann. Die Grenzen, anhand derer die Dialekte Hessens voneinander abgegrenzt werden, sind dabei aber nicht unbedingt deckungsgleich mit administrativen Grenzen:

Das Land Hessen ist mit dem Lebensraum der Hessen nicht identisch, außerdem sind die Mundarten Hessens bei weitem nicht so einheitlich, daß man von dem hessischen Dialekt sprechen könnte. (Friebertshäuser 1987: 43)

Die dialektale Vielfalt Hessens ist auch den Hessen bewusst. Wenn Dialektsprecher darauf verweisen, dass im Nachbarort ganz anders gesprochen wird, haben sie als Bezugspunkt jeweils den eigenen Ortsdialekt mit seinen ganz spezifischen Besonderheiten. Ganz so kleinräumig sind traditionelle Dialekteinteilungen, die vor allem auf lautlichen Merkmalen basieren, aber nicht. In der Dialektologie wird nicht zwischen lokalen Ortsdialekten, sondern großflächigeren Dialekträumen unterschieden. Es sind u.a. lautliche Gemeinsamkeiten, die einen Dialektraum als solchen kennzeichnen, ihn aber auch von anderen Dialekten, die diese Gemeinsamkeiten nicht teilen, unterscheiden. Eine der wichtigsten Dialektgrenzen, deren Verlauf auf ebensolchen lautlichen Gemeinsamkeiten bzw. Unterschieden basiert, ist die Benrather Linie, die auch die maken-machen-Linie genannt wird. Während südlich dieser Grenze machen gesagt wird, wird nördlich davon die lautlich abweichende Variante maken verwendet. Die Benrather Linie trennt so die niederdeutschen (maken) von den hochdeutschen Dialekten (machen). 

Niederdeutsch

Im Norden bzw. Nordwesten Hessens, nördlich der Benrather Linie, werden niederdeutsche Dialekte gesprochen. Im nördlichsten Zipfel Hessens, nördlich von Kassel und an der Grenze zu Niedersachsen, wird Ostfälisch gesprochen. Die an Nordrhein-Westfalen angrenzende Region nördlich von Waldeck, um Korbach, Bad Arolsen und Willingen (Upland), gehört zum Westfälischen. 

Nordhessisch

Als Nordhessisch wird die Dialektregion bezeichnet, die nördlich von Marburg an der Lahn aus bis nach Kassel im Nordosten reicht. Im Südosten wird die Region durch die Schwalm begrenzt (vgl. Friebertshäuser 1987: 54). Das Nordhessische grenzt an den niederdeutschen Dialektraum, von dem es sich lautlich allerdings wesentlich stärker unterscheidet als vom ebenso angrenzenden Osthessischen. 

Osthessisch

Das Osthessische umfasst das Gebiet östlich des Vogelsbergs mit der Stadt Fulda im Zentrum. Im Süden wird das Gebiet begrenzt durch den Spessart, im Norden reicht es bis in die Schwalm hinein (vgl. Friebertshäuser 1987: 54). Im Osten sind die Grenzen des Osthessischen nicht deckungsgleich mit denen des Bundeslandes Hessen. Osthessisch wird also auch in Thüringen gesprochen, zum Beispiel in Teilen der thüringischen Rhön. 

Zentralhessisch

Unter Zentralhessisch fällt der Bereich, der geographisch durch die Lahn im Norden, im Osten durch den Vogelsberg, im Süden durch den Main und im Westen durch den Westerwald und den Taunus begrenzt ist (vgl. Friebertshäuser 1987: 50). Im Norden reicht das Gebiet des Zentralhessischen bis Marburg an der Lahn, im Süden bis nördlich von Frankfurt am Main. Im Westen ist die Grenze des Zentralhessischen in etwa identisch mit der Grenze des Bundeslandes Hessen, das Gebiet reicht bis Limburg an der Lahn im Südwesten und Haiger (Lahn-Dill-Kreis) im Nordwesten.

Rheinfränkisch

Der Dialekt, der in Südhessen südlich des Mains gesprochen wird, gehört zum Rheinfränkischen. Nur ein kleiner Teil dieser Dialektregion befindet sich innerhalb der Landesgrenzen Hessens. Das Rheinfränkische reicht ausgehend von Frankfurt bis weit über die administrativen Grenzen Hessens hinaus. Es erstreckt sich bis nach Karlsruhe in Baden-Württemberg und an die rheinland-pfälzisch-saarländische Grenze (westlich von Kaiserslautern).

Übergangsgebiete zwischen den Dialekten

In Hessen finden sich zudem zahlreiche mehr oder weniger große Übergangsgebiete zwischen aneinander angrenzenden Dialekten, in denen sich Merkmale sowohl des einen als auch des anderen Dialekts finden lassen (vgl. Friebertshäuser 1987: 54). Besonders schwer voneinander abzugrenzen sind bspw. das Nord- und das Osthessische. Zwischen den eindeutig nord- bzw. osthessischen Räumen liegt als Übergangsgebiet die Schwalm. Die Grenze von Ost- und Nordhessisch lässt sich gegenüber dem Zentralhessischen schon eindeutiger bestimmen, ist jedoch noch immer weit weniger deutlich als die Abgrenzung gegenüber dem Ost- und dem Westfälischen (vgl. Friebertshäuser 1987: 50).

„Neuhessisch”

Schließlich gibt es auch noch das sogenannte „Neuhessische”. Das ist das, was man aus Radio und Fernsehen kennt und das häufig als typisch hessisch aufgefasst wird. Künstler wie Badesalz, Mundstuhl, Bodo Bach oder Maddin Schneider imitieren dabei eine Sprechweise, die man sprachwissenschaftlich als „Neuhessisch” bezeichnet. Das tatsächliche Gebiet, in dem „Neuhessisch” gesprochen wird, lässt sich nur schwer eingrenzen. Das Kerngebiet liegt im Bereich des Städtedreiecks Mainz/Wiesbaden,  Frankfurt/Offenbach und Darmstadt, aber „Neuhessisch” wird auch im Odenwald, im westlichen Spessart, in Rheinhessen und in der Wetterau bis nach Gießen gesprochen (vgl. Dingeldein 1994: 277). „Neuhessisch” ist dabei aber weniger ein Dialekt als ein Regiolekt. Es ist näher an der hochdeutschen Sprechweise anzusiedeln als der Dialekt, weicht aber dennoch in bestimmten Wörtern, der Aussprache und der Grammatik vom Hochdeutschen ab (vgl. Friebertshäuser 1987: 50). Im Gegensatz zu den alten Dialekten besitzt der Regiolekt eine „überregionale Verstehbarkeit” (Dingeldein 1994: 273). 

Weiterführende Literatur

  • Dingeldein, Heinrich J. (1994): Grundzüge einer Grammatik des Neuhessischen. In: Kohnen, Joseph/Solms, Hans-Joachim/Wegera, Klaus-Peter (Hgg.): Brücken schlagen. „Weit draußen auf eigenen Füßen“. Festschrift für Fernand Hoffmann: 273–309. Frankfurt am Main: Lang.
  • Friebertshäuser, Hans (1987): Das hessische Dialektbuch. München: Beck.
  • Friebertshäuser, Hans (2004): Die Mundarten in Hessen. Regionalkultur im Umbruch des 20. Jahrhunderts. Husum: Husum Druck- und Verlagsgesellschaft.
  • Wiesinger, Peter (1983):  Die Einteilung der deutschen Dialekte. In: Besch, Werner/Knoop, Ulrich/Putschke, Wolfgang/Wiegand, Herbert Ernst (Hgg.): Dialektologie. Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung. 2. Halbband. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 1.2): 807–900. Berlin/New York: Walter de Gruyter. 
Schäfer, Lena (2018): Kurzbeschreibung der Dialekte Hessens. In: SyHD-online.
URL: http://www.syhd.info/ueber-das-projekt/ueber-einblicke/#kurzbeschreibung-der-dialekte-hessens [Zugriff:24.09.2019]

Studierende berichten

Studierende berichten: Ergebnisse von Qualifikationsarbeiten im SyHD-Kontext

Anmerkung (Jürg Fleischer)

Im Rahmen von SyHD sind zahlreiche Seminar- und Abschlussarbeiten von Studierenden entstanden. Die indirekte Methode nach SyHD-Vorbild wurde bspw. genutzt, um Untersuchungen zu verschiedenen dialektsyntaktischen Phänomenen in bestimmten Regionen Hessens oder dem eigenen Heimatort durchzuführen. Zudem wurden anhand des SyHD-Materials Sekundärauswertungen vorgenommen. Beispielhaft wird hier eine Bachelorarbeit zur Sekundärauswertung von Kasussynkretismen in den Dialekten Hessens vorgestellt. 

Kasussynkretismen in den Dialekten Hessens: Eine Untersuchung anhand der SyHD-Materialien

Bachelorarbeit von Sophie Ellsäßer (ehemals studentische Hilfskraft bei SyHD, inzwischen wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster)

1. Untersuchungsgegenstand 

In meiner Bachelorarbeit habe ich mich mit dem Ausdruck von Kasus in den Mundarten Hessens beschäftigt. Mein Schwerpunkt lag dabei auf dem Synkretismus von Akkusativ- und Dativformen in den südniederdeutschen Dialekten Westfälisch und Ostfälisch im Norden des Bundeslandes. Der Begriff Kasussynkretismus bezeichnet den Zusammenfall von zwei oder mehr ursprünglich distinkten Kasus innerhalb bestimmter Teile eines Sprachsystems auf eine Form. Im Deutschen weist das Nomen meist keine Kasusmarkierung auf. Sie findet sich stattdessen am Artikel, Adjektiv oder bei Pronomen, wobei sich diese in Bezug auf ihre Anfälligkeit für Synkretismen von den Nomen unterscheiden (vgl. Blake 2001). Das Phänomen Kasussynkretismus lässt sich auch im Standarddeutschen beobachten. Der feminine Artikel die kann hier den Nominativ und den Akkusativ ausdrücken:

(1)Die Kuh frisst die Blumen.

(2)Der Löwe frisst die Kuh.

Die deutschen Dialekte sind in Bezug auf die Kasusnivellierung, den Abbau von Kasusformen, jedoch weit innovativer als die Standardsprache. Sie neigen häufiger und bei mehr Wortarten zu Kasussynkretismus, wobei aber auch Unterschiede je nach Dialektregion zu beobachten sind. In einem ostfälischen Erhebungsort von SyHD etwa zeigt sich ein Synkretismus von Akkusativ und Dativ beim Personalpronomen mir. Es existiert keine distinkte Dativform mir mehr, Akkusativ und Dativ sind zusammengefallen zu meck (‚mich’):  

(3)Jo, hei hett ne meck oll echiewen.
'Ja, er hat es mich schon gegeben.'

Die Funktion von Kasus besteht darin, das Verhältnis einzelner Komplemente im Satz untereinander bzw. zum Verb auszudrücken und damit die semantischen Rollen im Satz zu bestimmen. Bislang gibt es nur wenige Untersuchungen, die sich mit den Kasussystemen deutscher Dialekte in ihrer arealen Ausprägung beschäftigen. Recht prominent ist die Arbeit von Shrier (1965), deren Datenbasis – die Arbeit beruht auf einer Analyse von Dialektgrammatiken und Ortsmonographien – jedoch nicht unproblematisch ist. Dennoch zeigt die Arbeit bestimmte Tendenzen, die erste Vermutungen zu den in den SyHD-Materialien auftretenden Kasusformen zulassen. Der Genitiv etwa ist aus nahezu allen deutschen Dialekten verschwunden. Für Hessen kann man entsprechend davon ausgehen, dass höchstens drei Kasus unterschieden werden, wobei Shriers (1965) Ergebnisse für die niederdeutschen Dialekte zudem eher zu einem System mit zwei Kasus, einem Nominativ und einem einzigen weiteren Kasus, dem Obliquus, tendieren.  

2. Methode (Sekundärauswertung)

In meiner Arbeit wurden gezielt Dativ-Kontexte untersucht und diejenigen Fälle dokumentiert, in denen wie im obigen Beispiel eine (historische) Akkusativform zu finden war. Datengrundlage meiner Untersuchung war das SyHD-Material, anhand dessen eine Sekundärauswertung zu bestimmten Aufgaben der ersten beiden indirekten Erhebungen (E1 + E2) durchgeführt wurde: 

 

Indirekte ErhebungFrageKasussynkretismus in Bezug auf ...
E1

01

Pronomen 1. Pers. Singular
02Pronomen 3. Pers. Singular feminin
10Pronomen 3. Pers. Singular maskulin
16Pronomen 1. Person Singular
23Pronomen 1. Person Singular
E203Possessivpronomen 2. Person Plural
04bestimmter Artikel maskulin
08bestimmter Artikel neutral
10bestimmter Artikel neutral

Tab. 1: Alle sekundär ausgewerteten Aufgaben der E1 und E2

Bei einer Sekundärauswertung handelt es sich um eine Auswertung von Daten zu einem Phänomen, das zwar nicht gezielt anhand bestimmter Aufgaben abgefragt wurde, anhand dieser aber dennoch auswertbar ist. Ein Vorteil von SyHD liegt gegenüber Shrier (1965) in der Dichte des Ortsnetzes und der enormen Anzahl an Informant_innen, was nicht nur eine große Belegdichte gewährleistet, sondern auch die Untersuchung mehrerer idiolektaler Systeme, also der Systeme mehrerer Sprecher_innen innerhalb eines Ortes, ermöglicht. Ausgewertet wurden  Übersetzungsaufgaben und Alternativantworten, die die Informant_innen im Rahmen von Bewertungsaufgaben selbst niedergeschrieben hatten: 

Abb. 1 „Dialektalisierte“ Bewertungsaufgabe mit Kasussynkretismus in Vorgabe und Antwort

Die „Dialektalisierung“ der Bewertungsaufgaben ist insofern zu berücksichtigen, dass Kasussynkretismen hier nicht immer einheitlich behandelt, das heißt nur teilweise in die „Dialektalisierung“ mit aufgenommen wurden. Nicht zu vergessen, dass auch nicht jede_r Informant_in die Möglichkeit genutzt hat, bei den Bewertungsaufgaben eine Alternativantwort zu notieren, was die Anzahl an auswertbaren Antworten je nach Antwortverhalten der Informant_innen natürlich reduziert.

3. Ergebnisse (Auswahl)

Die Ergebnisse zweier Sekundärauswertungen zu Bewertungsaufgaben werden nachfolgend anhand von Punktsymbolkarten dargestellt. Die roten Symbole zeigen jeweils besondere Synkretismustendenzen, z.B. den Akkusativ-Dativ-Synkretismus, die grauen Symbole zeigen Systeme, die diese Tendenzen nicht aufweisen. Die Größe der Punktsymbole korreliert mit der Anzahl an relevanten Antworten im Erhebungsort. Kleine Kreise zeigen, dass von den Informanten nur selten eine eigene Antwort gegeben wurde; Lücken im Ortsnetz, dass keinerlei eigene Antworten notiert wurden. Dennoch sind in beiden Kartendarstellungen eindeutige Raumstrukturen erkennbar. Akkusativ-Dativ-Synkretismen sind insbesondere im Norden Hessens belegt, je nach untersuchtem Kontext zeigen sie sich jedoch in unterschiedlicher Ausprägung.   

Das Auftreten der historischen Akkusativform mich im dativischen Kontext Ja, er hat ihn mir schon gegeben, eines Akkusativ-Dativ-Synkretismus (rot) also, beschränkt sich in Abb. 2 auf den ostfälischen Sprachraum und einen Teil des Übergangsgebiets zum Thüringischen. Gewertet wurden als Akkusative dabei ausschließlich Belege, die eindeutig als mich zu identifizieren waren, z.B. lautliche Varianten wie mick, mik oder mech. Formen wie mi (grau), die nicht eindeutig einem bestimmten Kasus zugeordnet werden konnten, wurden gesondert behandelt.

Abb. 2: Verbreitung der historischen Akkusativform in Dativrelation (Personalpronomen: 1. Pers. Sing.)

Abb. 3 bildet Kasussynkretismen in Bezug auf das Possessivpronomen der 2. Pers. Pl. ab (Ich möchte wissen, ob ihr auch Angst vor eurem Lehrer habt), das in keiner bisherigen Arbeit zur Verbreitung dialektaler Kasussysteme untersucht wurde. Die Belege für einen Akkusativ-Dativ-Synkretismus (rot) reichen hier deutlich weiter ins Nord- und teils auch Zentralhessische hinein als in Abb. 2. Auch die hohe Belegdichte fällt auf. Obgleich es sich erneut um eine Analyse alternativer Antworten im Rahmen einer Bewertungsaufgabe handelt, konnten zu beinahe jedem Ortspunkt Daten erhoben werden.

Abb. 3: Verbreitung der historischen Akkusativform in Dativrelation (Possessivpronomen: 2. Pers. Pl.)

Anhand dieser ausgwählten Ergebnisse wird bereits deutlich, dass eine morphologische Sekundärauswertung der SyHD-Materialien geeignet ist, um einen ersten Überblick über die geografische Verbreitung bestimmter Phänomene (hier: den Kasussynkretismus in unterschiedlichen Kontexten) zu erlangen. Wenngleich eine Analyse vollständiger Kasussysteme sowie aller relevanter Einflussfaktoren auf diese Weise nicht möglich ist, lassen sich doch Tendenzen erkennen, die durch weitere Analysen überprüft und abgesichert werden können.

4. Literatur

  • Blake, Barry J. (2001): Case. 2. Auflage. Cambridge: Cambridge University Press (Cambridge Textbooks in Linguistics).
  • Ellsäßer, Sophie (2011): Kasussynkretismen im Hessischen. Unveröffentlichte Bachelorarbeit. Marburg. 
  • Shrier, Martha (1965): Case Systems in German Dialects. In: Language 41/3: 420–438.
Ellsäßer, Sophie (2018): Studierende berichten. In: SyHD-online.
URL: http://www.syhd.info/ueber-das-projekt/ueber-einblicke/#studierende-berichten [Zugriff:24.09.2019]

FAQs

FAQs – häufig gestellte Fragen unserer TeilnehmerInnen

1. Fragen zum Untersuchungsgegenstand

Was untersucht das Projekt „Syntax hessischer Dialekte“ (SyHD)?

Bewertungsaufgabe mit heiraten in der Vorgabe und freien in der Antwort

Immer wieder wurden wir von Teilnehmer_innen unseres Projektes auf lautliche oder lexikalische, d.h. den Wortschatz betreffende Besonderheiten ihres Heimatdialektes aufmerksam gemacht. SyHD untersucht aber weder das eine noch das andere, wenngleich unsere Untersuchungen auch zu derartig gelagerten Phänomenen Erkenntnisse liefern. In einem unserer Fragebogen bspw. kam in einer Aufgabe das Verb heiraten vor.

Die Antworten unserer Teilnehmer_innen haben uns gezeigt, dass das Verb heiraten aber nicht überall in Hessen im Dialekt gebräuchlich ist. Es tritt vor allem im Süden und in der Mitte Hessens auf, im Norden hingegen ist nicht von heiraten, sondern von freien die Rede.

Das Verb freien geht zurück auf mittelhochdeutsch, mittelniederdeutsch (eine Sprachform des Niederdeutschen im hohen Mittelalter) und mittelniederländisch vrīen und wird in den nördlichen Dialekten Hessens noch heute in der Bedeutung von ‚heiraten’ gebraucht (vgl. Pfeifer 1993: 372–373). Im Hochdeutschen ist freien heute nicht mehr gebräuchlich; nach Aussage des Duden (2011: 636) gilt das Verb als veraltet.

Da Lautung und Wortschatz der Dialekte bereits gut erforscht sind, liegt der Fokus von SyHD auf einem anderen Gebiet: Der Syntax. Das ist die Lehre vom Bau der Sätze. Dieser Bereich wurde in der Sprachwissenschaft lange vernachlässigt und sogar als „Stiefkind der Mundartforschung” bezeichnet (Schwarz 1950: 118). In den letzten Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass sich die deutschen Dialekte auch syntaktisch voneinander unterscheiden, was zur Etablierung der Dialektsyntax als neuer Forschungsbereich innerhalb der Dialektologie geführt hat (vgl. Fleischer/Schallert 2011: 29). Wie der Projektname schon sagt, untersucht SyHD also die Syntax bzw. den Satzbau der Dialekte Hessens (und einiger angrenzender Dialekte außerhalb Hessens, die als Vergleichspunkte dienen) bzw. eine Vielzahl unterschiedlicher Phänomene, die in den Bereich des Satzbaus fallen:

Phänomene (Auswahl)Beispiele
Artikelsetzung vor Eigennamen(die/das/es) Emma, (der) Klaus
Gebrauch von Perfekt und PräteritumDamals wohnten (haben) wir in dem braunen Haus neben der Kirche (gewohnt).
Bildung des Konjunktivs mit würde oder täteMich würde/täte ja mal interessieren, ob der jemals heiraten wird.
Abfolge mehrerer aufeinanderfolgender Verben im Satz..., dass wir das Buch bis am Freitag gelesen haben müssen/müssen gelesen haben/gelesen müssen haben.
Relativsatzanschluss mit das, das, (das) woDas Geld, das/was/(das) wo ich verdiene, gehört mir.
Gebrauch von als und wieDie Tür ist ja breiter wie/als/als wie (dass) hoch.
Abfolge von Pronomen im SatzSie hat es mir/mir es gestern erst erzählt.
Doppelte und mehrfache VerneinungFrüher hat für so etwas keiner/keiner kein Geld/keiner kein Geld nicht gehabt.
Übersetzungsaufgabe zum Relativsatzanschluss aus der E1_18 (erster SyHD-Fragebogen, Aufgabe 18)

SyHD zeigt, dass syntaktische Unterschiede nicht nur zwischen den Dialekten Hessens und dem Hochdeutschen bestehen – in der Sprachwissenschaft ist übrigens eher von Standarddeutsch als von Hochdeutsch die Rede, da mit dem Begriff „Hochdeutsch” immer auch eine gewisse Wertung verbunden wird –, sondern auch innerhalb der Dialekte Hessens selbst. Wenn man sich beispielsweise den Relativsatzanschluss etwas genauer anschaut, wird deutlich, dass dieser in und um Hessen unterschiedlich gebildet werden kann. Im Hochdeutschen werden Relativsätze, die sich auf ein Substantiv im übergeordneten Satz beziehen, mit den Pronomen derdiedas oder welch- (eher altertümlich) eingeleitet (vgl. Duden 2016: 302). In einer Übersetzungsaufgabe aus einem der SyHD-Fragebogen war ein Relativsatz mit das, also entsprechend der standardsprachlichen Variante, vorgegeben. Die Aufgabe unserer Teilnehmer_innen bestand nun darin, diesen Satz in ihren Dialekt bzw. ihr Platt zu übersetzen.

Da Relativsätze im Dialekt, wie schon gesagt, unterschiedlich angeschlossen werden können, z.B. mit das, was, wo oder das wo, haben die Übersetzungen unserer Teilnehmer_innen zu interessanten Erkenntnissen bezüglich des Vorkommens und der arealen Verteilung dieser Varianten auf die Dialekte Hessens geführt. Neben arealen Präferenzen für bestimmte Varianten zeigen sich auch Unterschiede in der Häufigkeit bestimmter Anschlussmöglichkeiten:

Wenngleich im Großteil des Untersuchungsgebietes, wie auch im Hochdeutschen üblich, der Relativsatzanschluss mit das (476 Belege) überwiegt, ist auch die Variante mit was (404 Belege) häufig belegt. Eine charakteristische Verteilung der genannten Varianten ist jedoch nicht  erkennbar; sie  sind  praktisch  im  gesamten Untersuchungsgebiet belegt, wobei  im Süden Hessens angrenzend an Bayern, Baden-Württemberg und den Süden von Rheinland- Pfalz verstärkt Belege für den Relativsatzanschluss mit wo (85 Belege) auftreten, während der Anschluss mit das wo (2 Belege) die absolute Ausnahme bleibt.

Die Aufgabe hat zudem gezeigt, dass in bestimmten Regionen Hessens neben bzw. statt gehört mir auch ist mir (im Sinne von ʻgehört mir’) gesagt werden kann. Die Vorgabe Das Geld, das ich verdiene, gehört mir wurde insbesondere im Süden und in der Mitte Hessens teils als Das Geld, das ich verdiene, ist mir übersetzt, was in den nördlichsten Dialekten Hessens, den niederdeutschen Dialekten Westfälisch und Ostfälisch, hingegen vollkommen ausgeschlossen ist.

2. Fragen zu den am Projekt teilnehmenden Orten

a) Welche Orte haben an der Befragung teilgenommen?

An unseren schriftlichen Befragungen – wir haben insgesamt vier Fragebogen an unsere Teilnehmer_innen verschickt – haben ca. 160 Orte in Hessen und 12 Orte außerhalb von Hessen teilgenommen. Die außerhessischen Orte liegen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen und Niedersachsen. Sie wurden in einer Art Ellipse um Hessen herum angeordnet und dienen „als Anhaltspunkte für die syntaktische Variation außerhalb des untersuchten Gebietes“ (Fleischer/Kasper/Lenz 2012: 5). Schriftliche Vorerhebungen, die u.a. dazu dienten, Aufgaben zu testen und Fehlerquellen zu identifizieren, fanden zusätzlich an etwa 60 Orten innerhalb Hessens sowie am Hessentag 2010 in Stadtallendorf statt. Einige der Erhebungsorte innerhalb Hessens nahmen zudem an einer mündlichen Befragung durch unsere Mitarbeiter_innen teil.

b) Wie wurden die teilnehmenden Orte ausgewählt?

Ausschlaggebend für die Auswahl unserer Erhebungsorte war in erster Linie die Ortsgröße. Entsprechend wurde eine Obergrenze von 1.500 und eine Untergrenze von 500 Einwohnern festgesetzt. Die Obergrenze ist dadurch zu erklären, dass SyHD den tiefsten noch in einem Ort vorhandenen Dialekt, der von der älteren Generation gesprochen wird, als Untersuchungsziel hat. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Basisdialekt, den u.a. Schmidt (1998: 166) als „standardfernste Sprechlage der jeweils ältesten immobilen Sprecher” beschreibt. Für zu große Orte wurde daher die Gefahr darin gesehen, dass der tiefste Dialekt dort nicht mehr gesprochen wird und der Einfluss des Hochdeutschen bereits zu groß sein könnte. Die Untergrenze von 500 Einwohnern erklärt sich durch den zu befürchtenden Mangel an Dialektsprecher_innen in zu kleinen Orten (vgl. Fleischer/Kasper/Lenz  2012: 5). Bei der Auswahl geeigneter Orte wurde zudem berücksichtigt, ob für die Orte Sprachaufnahmen, Fachliteratur etc. vorhanden waren. Als vorteilhaft für die Akquise von TeilnehmerInnen hat sich auch das Vorhandensein von ortsansässigen Heimatvereinen, Mundartgruppen etc. erwiesen. Um eine gleichmäßige Verteilung der Erhebungsorte auf Hessen zu gewährleisten, wurde eine Gitternetzstruktur über Hessen gelegt. Das Bundesland wurde so in 165 Planquadrate unterteilt, aus denen auf Basis der beschriebenen Kriterien je Planquadrat jeweils ein Ort als Erhebungsort ausgewählt wurde.

c) Warum ist unser Heimatort nicht dabei?

Wenn Ihr Heimatort nicht unter unseren Erhebungsorten ist, kann das unterschiedliche Gründe haben. Möglicherweise ist er zu groß oder zu klein. Das heißt, die von Seiten des Projektes festgelegte Ober- oder Untergrenze an Einwohnern kann hier den Ausschlag gegeben haben. Zudem haben wir auf eine gleichmäßige Verteilung der ca. 160 Erhebungsorte auf das Bundesland Hessen geachtet. Daher haben wir auch nicht in direkt nebeneinanderliegenden Ortschaften erhoben, sondern Hessen großflächig in Planquadrate aufgeteilt. Natürlich hatten wir nicht immer Erfolg bei der Akquise. Manchmal konnten wir in einem Ort keine oder nicht ausreichend Interessierte für unser Projekt gewinnen – unsere absolute Untergrenze liegt bei drei Teilnehmern pro Erhebungsort –, sodass wir einen neuen Ort auswählen mussten und die Akquise von Neuem begann. Da unsere schriftliche Erhebung über einen längeren Zeitraum hinweg stattfand, kam es im Laufe der Zeit auch vor, dass wir Orte ersetzen mussten, da die ursprünglich ausreichende Teilnehmerzahl auf weniger als drei geschrumpft war. Es kann also auch sein, dass Ihr Ort ursprünglich dabei war, in späteren Erhebungen aber nicht mehr auftaucht, da aus den unterschiedlichsten Gründen die Teilnehmerzahl unter unsere Untergrenze gefallen ist. Teilweise haben uns Zuschriften nicht nur aus unseren Erhebungsorten, sondern auch aus Nachbarorten erreicht. Das war z.B. der Fall, wenn Fragebogen von unseren Teilnehmer_innen weitergereicht oder dupliziert wurden. In solchen Fällen kam es auch vor, dass sehr nahe gelegene Orte zusammengelegt wurden. Insbesondere dann, wenn für den eigentlichen Erhebungsort aufgrund einer zu geringen Teilnehmerzahl die Gefahr bestand wegzufallen.

3. Fragen zu den Teilnehmer_innen

a) Wie viele Personen haben an den Befragungen teilgenommen?

Die insgesamt vier Fragebogen unserer schriftlichen Befragung wurden über einen längeren Zeitraum hinweg versandt (von 2010 bis 2014), weshalb wir von Befragung zu Befragung einen gewissen Verlust an Teilnehmer_innen zu verzeichnen hatten. Dennoch haben ganze 777 Personen alle unsere Fragebogen, das heißt Fragebogen 1 bis Fragebogen 4, ausgefüllt.

Schriftliche BefragungTeilnehmerzahl
Fragebogen 11017
Fragebogen 2874
Fragebogen 3842
Fragebogen 4798
Total Fragebogen 1 bis 43531
Fragebogen 1, 2, 3 und 4 von der gleichen Person beantwortet777

Im Anschluss an unsere schriftliche Befragung, die in der Sprachwissenschaft auch als indirekte Methode oder Erhebung bezeichnet wird, fanden im Großteil unserer Erhebungsorte innerhalb Hessens (an 143 Orten) zusätzliche mündliche Befragungen statt. Mitarbeiter_innen des Projektes reisten in die entsprechenden Erhebungsorte und führten vor Ort, in der Regel bei den Projektteilnehmer_innen daheim, Befragungen durch. Die mündlichen Befragungen (auch: direkte Methode bzw. Erhebung) dienten der Überprüfung und Validierung der indirekt gewonnenen Daten sowie der Detailuntersuchung einzelner Phänomene. Aufgrund begrenzter zeitlicher und personeller Kapazitäten konnten diese aber nur bei einem_er ausgewählten Dialektsprecher_in je Ort durchgeführt werden.

b) Nach welchen Kriterien wurden die Teilnehmer_innen ausgewählt?

Bei den Teilnehmer_innen von SyHD handelt es sich um ältere, möglichst ortsfeste und dialektkompetente Personen. Als besonders ortsfest galt für uns dabei, wer in dem von uns ausgewählten Erhebungsort aufgewachsen war, im Laufe seines Lebens keine allzu langen Aufenthalte außerhalb dieses Ortes verbracht hatte und zudem angeben konnte, dass zumindest einer der Elternteile ebenfalls aus diesem Ort stammte. Die Akquise von Teilnehmer_innen erfolgte über Gemeindeverwaltungen, Bürgermeister, Ortsvorsteher, Ortshistoriker, Vereine (u.a. Heimatvereine, Mundartgruppen, Landfrauen) und interessierte Dialektsprecher_innen.

4. Fragen zum Fragebogen

a) Was ist der Unterschied zwischen „Platt“, „Dialekt“ und „Mundart“?

Auf den ersten Seiten unseres Fragebogens wurden unsere Teilnehmer_innen gefragt, wie sie die ortstypische Sprechweise der ältesten Einwohner ihres Heimatortes bezeichnen. Vorgegeben waren die Antwortmöglichkeiten „Platt“, „Dialekt“ und „Mundart“. Bei Bedarf konnte eine zusätzliche Bezeichnung notiert werden. Hier wurden in der Regel Bezeichnungen wie „Platt“ oder „Dialekt“ mit Orts-oder Regionalnamen kombiniert, u.a. wurden das „Schwälmer Platt“, das „Meinerküser Platt“ und das „Gilserberger Platt“ genannt (vgl. dazu Niebaum/Macha 2014: 4). In der Forschungsliteratur werden die Termini „Dialekt“und „Mundart“ oft synonym verwendet, wenngleich es in der Vergangenheit immer wieder Bestrebungen gab zwischen den Bezeichnungen zu unterscheiden, z.B. bei Jacob Grimm (1848: 829), der Dialekte als große und Mundarten als kleine Geschlechter bezeichnete(vgl. Niebaum/Macha 2014: 3). Im Rahmen sprachpuristischer Bestrebungen kam es nach 1933 zudem zu einer Aufwertung des Begriffes „Mundart“, während der Terminus „Dialekt“ aufgrund seiner fremdartigen Herkunft – er stammt ursprünglich aus dem Griechischen – abgelehnt wurde (vgl. Niebaum/Macha 2014: 3–4). Dennoch hat sich die Bezeichnung „Dialekt“ gegenüber „Mundart“ sowohl in der Wissenschaft als auch unter den Dialektsprecher_innen selbst durchgesetzt (vgl. Niebaum/Macha 2014: 4). Von „Mundart“ hingegen ist vor allem in Zusammenhang mit Mundart-Kolumnen die Rede (vgl. Niebaum/Macha 2014: 242–243). Der Begriff „Platt“ wiederum hat eine wechselhafte Geschichte. Er wurde in der Literatur immer wieder mit einer bestimmten Region, u.a. dem „platten Land“, teils aber auch einer bestimmten Bevölkerungsschicht in Verbindung gebracht und dabei nicht selten mit einem negativen Anstrich versehen. Und das obwohl der Begriff ursprünglich sprachqualifizierend gebraucht und mit Adjektiven wie „deutlich“, „verständlich“, „vertraut“, „rund heraus“ etc. in Verbindung gebracht wurde. Vollkommen ohne Wertung fand die Bezeichnung „Platt“ erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Verwendung (vgl. Niebaum/Macha 2014: 4–5).

Unsere Befragung hat nun bestätigt, dass von „Platt“ weit über das „platte Land“ hinaus die Rede ist. Denn auch in Hessen wird „Platt“ gesprochen, was die folgende Kartendarstellung zeigt:

Karte zur Bezeichnung der ortstypischen Sprechweise der ältesten Einwohner

Von den 1210 Angaben, die bei der Frage nach der ortstypischen Sprechweise der ältesten Ortseinwohner insgesamt gemacht wurden, entfielen ganze 923 Angaben auf die Bezeichnung „Platt“, 157-mal wurde die Bezeichnung „Dialekt“ und noch etwas seltener, nur 130-mal, die Bezeichnung „Mundart“ gewählt. Der Terminus „Platt“ wird dabei beinahe über das gesamte Untersuchungsgebiet hinweg gebraucht. Im Norden Hessens und darüber hinaus, z.B. in Nordrhein-Westfalen, werden kaum andere Bezeichnungen akzeptiert. Gen Süden allerdings nimmt der Gebrauch der Termini „Mundart“ und „Dialekt“ zu. In den an Hessen angrenzenden südlichen Bundesländern, z.B. Baden-Württemberg, wird der Terminus „Platt“ schließlich gar nicht mehr verwendet.

b) Warum entspricht der Dialekt, der im Fragebogen verwendet wird, nicht eins zu eins unserem Ortsdialekt?

Unsere Fragebogen wurden „dialektalisiert“, das heißt sie wurden sprachlich, z.B. lautlich und lexikalisch, an die Dialekträume angepasst, in die sie versandt wurden (vgl. Fleischer/Kasper/Lenz 2012: 11), sodass in bestimmten Dialekten ick statt ich oder semelieren statt nachdenken vorgegeben war. Einige unserer Teilnehmer_innen waren mit diesen „Dialektalisierungen“ bezogen auf ihren Ortsdialekt nicht immer ganz einverstanden. Zudem kamen immer wieder Hinweise auf wie „Im Nachbarort sprechen sie ganz anders als wir“ oder „Die hessischen Dialekte sind von Dorf zu Dorf verschieden“. Und Hessen ist dialektal tatsächlich sehr vielfältig. Das Bundesland vereint zahlreiche Dialekte und dialektale Übergangsgebiete in sich, die anhand bestimmter, vor allem lautlicher Kriterien, definiert und voneinander abgegrenzt werden können. Als dialektale Großräume finden sich in Hessen neben dem Zentral-, Nord-und Osthessischen auch der rheinfränkische und der niederdeutsche Dialektraum sowie zahlreiche Übergangsgebiete zu anderen Dialekten, etwa dem Thüringischen und dem Ostfränkischen (vgl. Wiesinger 1983: 846–855, Fleischer et al. 2015: 261–262).

Einteilung des Untersuchungsgebietes nach „Dialektalisierungen“

Im Rahmen unserer insgesamt 17 „Dialektalisierungen“ für Hessen haben wir uns an solchen dialektalen Großräumen und Übergangsgebieten orientiert und nicht an einzelnen Ortsdialekten. Da wir unsere Fragebogen in ganz Hessen verschickt haben, konnten wir natürlich nicht für jeden Ort eine Eins-zu-eins-Übersetzung des Fragebogens in den jeweiligen Ortsdialekt leisten. Nicht nur, dass der Arbeitsaufwand bei rund 160 Erhebungsorten in Hessen zu groß gewesen wäre, wir selbst beherrschen natürlich auch nicht jeden(Orts-)Dialekt, der in Hessen gesprochen wird. Unsere Teilnehmer_innen haben ja selbst auch ganz richtig erkannt, dass Hessisch nicht gleich Hessisch ist. Wir haben uns also an generellen Merkmalen von Dialekträumen orientiert, lokale und großlandschaftliche Dialektwörterbücher, Ortsgrammatiken und nach Abschluss der ersten schriftlichen Erhebungsrunde auch zurückgesandte Fragebogen unserer Teilnehmer_innen zu Rate gezogen. Natürlich können bei einer „Dialektalisierung“ nach Dialekträumen Besonderheiten einzelner Ortsdialekte nicht immer berücksichtigt werden. Klar ist auch, dass die zahlreichen Orte, die in einen Dialektgroßraum fallen, nicht eins zu eins in ihrem Dialekt übereinstimmen können, wenngleich grundlegende Eigenschaften des Dialektraums, z.B. hinsichtlich der Lautung, auch für alle Orte gleich sein mögen. Wir mussten bei unseren „Dialektalisierungen“ zudem auch darauf achten, die Verständlichkeit des Fragebogens für all unsere Teilnehmer_innen aus einem Dialektgroßraum zu garantieren. Hätten wir uns zu stark an einzelnen Ortsdialekten orientiert, wäre das eventuell nicht möglich gewesen.

c) Wie sollen wir unseren Dialekt, den wir doch eigentlich nur sprechen, verschriftlichen?

Natürlich sind Dialekte mündliche Sprachformen. Sie werden gesprochen, nicht geschrieben. Es existieren im Vergleich zum Hochdeutschen auch keine Regelwerke, nach denen man sich bei der Verschriftlichung richten könnte. Zwar finden sich in lokalen Tageszeitungen, Heimatbüchern etc.immer wieder Kolumnen oder Gedichte in Mundart, aber auch hier ist es im Endeffekt dem Schreiber selbst überlassen, wie er die Mundart wiedergibt. Da wir im Rahmen unseres Projektes den Satzbau untersuchen, war es für uns aber auch gar nicht so wichtig, wie einzelne Wörter oder Laute niedergeschrieben wurden. Zudem gibt es beim Verschriftlichen des Dialekts kein „Richtig“ oder „Falsch“. Ausschlaggebend ist das eigene Sprachgefühl. Uns war nur wichtig, dass unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer wirklich im eigenen Dialekt und nicht auf Hochdeutsch geantwortet haben. Unsere „Dialektalisierungen“ waren hier auch als eine Art Hilfestellung gedacht, die es ihnen erleichtern sollte, im eigenen Dialekt zu antworten.

5. Literatur

AdA = Atlas zur deutschen Alltagssprache (2003–). Herausgegeben von Stephan Elspaß/Robert Möller. [URL: www.atlas-alltagssprache.de]

Duden (2011): Deutsches Universalwörterbuch. 7., überarbeitete und erweiterte Auflage. Mannheim, Zürich: Dudenverlag.

Duden (2016): Duden. Die Grammatik. Unentbehrlich für richtiges Deutsch.Herausgegeben von der Dudenredaktion. 9., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. (Duden 4.) Berlin: Dudenverlag.

Fleischer, Jürg/Oliver Schallert (2011): Historische Syntax des Deutschen. Eine Einführung. Tübingen: Narr.

Fleischer, Jürg/Simon Kasper/Alexandra N. Lenz (2012): Die Erhebung syntaktischer Phänomene durch die indirekte Methode: Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Forschungsprojekt „Syntax hessischer Dialekte“ (SyHD). In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 1: 2-42.

Fleischer, Jürg/Alexandra N. Lenz/Helmut Weiß (2015): Das Forschungsprojekt „Syntax hessischer Dialekte (SyHD)“. In: Kehrein, Roland/Alfred Lameli/Stefan Rabanus (Hgg.): Areale Variation des Deutschen. Projekte und Perspektiven. Berlin/Boston: de Gruyter: 261–287.

Grimm, Jacob (1848): Geschichte der deutschen Sprache. Bd. 1.-2. Leipzig: Weidmann. Niebaum, Hermann/Jürgen Macha (2014): Einführung in die Dialektologie des Deutschen. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin/Boston: de Gruyter (Germanistische Arbeitshefte 37).

Pfeifer, Wolfgang (1993): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2., durchgesehene und ergänzte Auflage. Berlin: Akademie Verlag (Deutscher Taschenbuch Verlag).

Schmidt, Jürgen Erich (1998): Moderne Dialektologie und regionale Sprachgeschichte. In: Zeitschrift für deutsche Philologie117, Sonderheft:Regionale Sprachgeschichte:163–179.

Schwarz, Ernst (1950): Die deutschen Mundarten. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Wiesinger, Peter (1983): Die Einteilung der deutschen Dialekte. In: Besch, Werner et al. (Hgg.): Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung. 2. Halbbd. Berlin/New York: de Gruyter (Handbücher zur Sprach-und Kommunikationswissenschaft 1.2): 807–900.

Kuhmichel, Kathrin (2018): FAQs. In: SyHD-online.
URL: http://www.syhd.info/ueber-das-projekt/ueber-einblicke/#faqs [Zugriff:24.09.2019]