Allgemeine Informationen für Gewährspersonen und Interessierte
Wer sind wir, die wir das Projekt durchführen?
Wir sind Sprachwissenschaftler_innen von den Universitäten Frankfurt, Marburg und Wien, die zusammenarbeiten, um den Satzbau der hessischen Dialekte gemeinsam zu erforschen. Als Sprachwissenschaftler_innen sind wir zunächst an der alltäglichen Sprechweise von Menschen interessiert. Wir möchten diese zuallererst dokumentieren, das heißt, für die Nachwelt aufbewahren. Darüber hinaus möchten wir erforschen, wie sich Sprechweisen voneinander unterscheiden und sie einzeln sowie hinsichtlich ihrer Unterschiede untereinander beschreiben. Unsere anspruchsvollste Aufgabe besteht letztlich darin zu erklären, wie es dazu kommt, dass es verschiedene Sprechweisen gibt und wie sie ihre jeweilige Ausprägung erhalten haben.
Warum erforscht man Dialekte/Mundarten/Platt?
Gesprochene Sprache ist flüchtig, das heißt, von ihr bleibt nichts, wenn man sie nicht aufzeichnet. Und wenn wir uns umsehen, sehen wir, dass die Sprechweise, die aufgezeichnet wird und erhalten bleibt, vor allem zu dem gehört, was wir „Hochdeutsch“ nennen. Hochdeutsch begegnet uns zum Beispiel in den Nachrichtenmedien, in der Literatur und in Situationen, die einen offiziellen „Anstrich“ haben. Wir haben Hoch- oder „Standarddeutsch“ vor allem im Kindergarten und in der Schule gelernt. Was Standarddeutsch ist, ist weitgehend normiert, also festgelegt, genauso wie das, was bei einem Spiel erlaubt ist oder nicht. Nur müssen die Regeln von Zeit zu Zeit neu angepasst werden, weil sich vielleicht die Art und Weise geändert hat, in der die Menschen das Spiel spielen. So verhält es sich auch mit der Standardsprache. Wenn wir Standarddeutsch aber nun erst spät, nämlich im Kindergarten oder in der Schule lernen, haben wir vorher meistens schon etwas anderes gelernt, nämlich die Sprechweise, die die Menschen pflegen, unter denen wir heranwachsen. Dialekte nehmen unter diesen Sprechweisen eine besondere Stellung ein. Sie sind diejenigen Sprechweisen, die als Einheiten auf kleine Regionen oder Orte beschränkt sind und sich stärker als andere „regional gefärbte“ Sprechweisen vom Standarddeutschen unterscheiden. Sie sind nicht auf die gleiche Weise normiert wie die Standardsprache, sondern eher „gewachsen“. Weil Dialekte lokal so stark begrenzt sind, werden sie nur mit bestimmten Menschen und in bestimmten Situationen gesprochen, nämlich mit denjenigen Personen, die denselben gleichen Dialekt gelernt haben und in Situationen des Alltags – am Esstisch, am Markt oder nach der Kirche. Daher gibt es auch unzählige verschiedene Dialekte. Es liegt somit geradezu in ihrer Natur, dass sie nicht aufgezeichnet werden. Da sie aber – abzulesen an der Art, wie sie gelernt werden – eigentlich „natürlichere“ Sprechweisen sind als Standarddeutsch, interessieren Dialekte Sprachwissenschaftler_innen besonders. Wir alle wissen, dass Sprachen sich verändern. Wir müssen nur daran denken, wie unsere Eltern gesprochen haben und wie unsere Kindergeneration spricht, um uns dies vor Augen zu führen. Als Sprachwissenschaftler_innen interessiert uns, wie Sprachen funktionieren und wie genau sie sich verändern. Was kann man wie in welchem Dialekt sagen? Welche Regeln stecken dahinter? Wie verändern sich diese Regeln? Die Sprechweisen, an denen sich diese Fragen am besten erforschen lassen, sind die „natürlichen“, alltäglichen Sprechweisen – die Dialekte.
Was bedeutet das Wort „Syntax“ im Projektnamen „Syntax hessischer Dialekte (SyHD)“?
Nehmen wir einen einfachen deutschen Satz: Früher wohnten wir hinter der Kirche, aber dann bauten wir noch mal neben der Schule. Man kann diesen Satz auf verschiedene Weisen beschreiben. Beispielsweise lautlich. Was entspricht in den gesprochenen Dialekten Hessens dem geschriebenen ü in früher? Osthessische Dialektsprecher_innen aus der Gegend von Fulda schreiben ö (fröher). Nordhess_innen aus Ernsthausen schreiben i (frier). Wir gehen daher davon aus, dass die Bewohner_innen von Fulda und Ernsthausen diesen Laut unterschiedlich aussprechen, wo es im Standarddeutschen ü heißt. Wenn man diese Beschreibung für alle Laute des Satzes durchführt, kann man den Satz auf diese Weise in seiner gesamten Lautstruktur beschreiben. Man kann aber auch danach fragen, was in den Dialekten die Entsprechung von -er in früher ist. -er trägt zu dem Wort mit der Bedeutung ‚früh‘ eine Steigerung bei, denn früher bezeichnet einen Zeitpunkt weiter in der Vergangenheit als früh es tut. Dies merkt man an dem Satzpaar Heute bin ich früh aufgestanden gegenüber Heute bin ich früher aufgestanden. -er bewirkt diese Steigerung. Man kann den Satz also nicht nur lautlich beschreiben, sondern auch hinsichtlich all der Teile, die wie -er Bedeutungsveränderungen bewirken. Früher heißt nun in manchen Dialekten frieher und in anderen friehen. Das heißt, zwei ganz verschiedene Einheiten, nämlich einmal -er und einmal -en bewirken hier die Steigerung. Zusätzlich können wir schauen, ob manche Dialekte ganz andere Wörter benutzen als die Standardsprache vorgibt. So sagen die Dialektsprecher_innen um Diemelsee in Nordhessen für neben gigger. Zuletzt kann man auch den Satzbau – die sogenannte Syntax – beschreiben. Dabei geht es darum, wie all die Teile im Satz, die Bedeutungsveränderungen bewirken, kombiniert werden können. Man kann z.B. sagen Früher wohnten wir hinter der Kirche und Wir wohnten früher hinter der Kirche, aber man kann nicht sagen Früher wir hinter der Kirche wohnten. Auch in diesen Regeln – wie man die Teile im Satz miteinander kombiniert – unterscheiden sich die Dialekte.
Wie erforscht man Dialekte?
Der Dialekt ist auch heute noch für viele Menschen die natürlichste Sprechweise im Alltag. Dagegen schreibt fast niemand im Dialekt. Es wäre daher für alle Sprachwissenschaftler_innen eigentlich am besten, gesprochenen Dialekt aufzuzeichnen, zu dokumentieren und zu beschreiben, denn die lautlichen Eigenheiten der Dialekte mit dem deutschen Alphabet wiederzugeben, ist doch sehr schwierig. Das sagen auch viele unserer Gewährspersonen. Wir haben uns dennoch entschieden, etwas über die Dialekte in Hessen zu erfahren, indem wir zunächst Fragebögen verschickten, in denen uns unsere Gewährspersonen schriftlich Auskunft über ihre jeweiligen Sprechweisen gaben. Auf diese Weise konnten wir etwas über die Eigenarten der jeweiligen Dialekte erfahren. In einem zweiten Schritt machten wir uns dies dann zunutze und traten tatsächlich in persönlichen Kontakt mit Dialektsprecher_innen. Wir konnten sie nun gezielt auf die Eigenarten ihrer Dialekte hin befragen und dies anhand von Tonaufnahmen dokumentieren. Da diese zweite Art der Erforschung – direkter Kontakt mit Dialektsprecher_innen – logistisch, finanziell und inhaltlich sehr aufwendig ist, wurde sie durch Fragebögenerhebungen ergänzt, die ihnen vorangingen. Um zu wissenschaftlichen Erkenntnissen zu gelangen, war es von entscheidender Wichtigkeit für uns, dass die sprachlichen Daten, die wir von unseren Gewährspersonen erfragten, vergleichbar sind. Daher entwarfen wir Fragebögen und Leitfäden, mit deren Hilfe wir die Dialekte aller unserer Gewährspersonen auf die gleiche Weise erforschen konnten.
Wo sind Ergebnisse des Projekts einsehbar?
Die Ergebnisse sind direkt auf dieser Seite einsehbar! Sie können zum Beispiel im SyHD-atlas, unserem syntaktischen Sprachatlas, online „blättern“ oder sich interaktiv Karten zu unsere Daten in SyHD-maps ansehen.
Wo kann man mehr erfahren über Dialekte und ihre Erforschung?
Aus der Fachliteratur, wobei wir folgende Bücher empfehlen ...
... für interessierte Laien:
- König, Werner (2007): dtv-Atlas Deutsche Sprache. 16., durchges. u. korr. Aufl. München: Deutscher Taschenbuch Verlag.
... bei sprachwissenschaftlichen Grundkenntnissen:
- Niebaum, Hermann/Macha, Jürgen (2014): Einführung in die Dialektologie des Deutschen. 3. überarb. u. erw. Aufl. Berlin/Bosten: de Gruyter.
... bei fortgeschrittenen sprachwissenschaftlichen Kenntnissen:
- Schmidt, Jürgen Erich/Herrgen, Joachim (2011): Sprachdynamik. Berlin: Erich Schmidt Verlag.
Wozu brauchen wir die persönlichen Daten unserer Gewährspersonen?
Wir alle wissen, dass nicht alle Menschen in Deutschland Dialekt sprechen können. In einigen deutschen Regionen sind es sogar nur noch ältere Menschen. Das macht die Erforschung von Dialekten für uns Sprachwissenschaftler_innen schwierig. Denn die Regeln unseres wissenschaftlichen Arbeitens besagen, dass unsere erhobenen sprachlichen Daten von Personen mit ähnlichen Sprachbiographien stammen müssen. Wir konnten daher bei unserem Projekt nur auf bestimmte Gruppen von Menschen zurückgreifen. Um sicherzustellen, dass alle unsere Gewährspersonen die gleichen Voraussetzungen mitbrachten, um für unser Projekt geeignet zu sein, mussten wir sie nach solchen Daten wie Alter, wo sie aufgewachsen sind, ob sie längere Zeit an anderen Orten als ihrem Heimatort gelebt haben usw. fragen. So konnten wir später sagen, dass alle unsere Informant_innen ähnliche Voraussetzungen mitgebracht haben. Dies ist eine Bedingung dafür, dass unser Projekt von anderen Wissenschaftler_innen akzeptiert wird. Namen und Anschriften unserer Gewährspersonen brauchten wir einfach nur dafür, dass wir ihnen auch die Fragebögen zusenden konnten. Da wir nicht von privaten Unternehmen gefördert wurden und nicht mit solchen zusammenarbeiteten, verfolgten wir auch keinerlei wirtschaftliche Interessen. Wir können somit versichern, dass alle Daten vertraulich behandelt wurden und unseren Gewährspersonen keinerlei Kosten entstanden.