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FAQs – häufig gestellte Fragen unserer TeilnehmerInnen
1. Fragen zum Untersuchungsgegenstand
Was untersucht das Projekt „Syntax hessischer Dialekte“ (SyHD)?
Immer wieder wurden wir von Teilnehmer_innen unseres Projektes auf lautliche oder lexikalische, d.h. den Wortschatz betreffende Besonderheiten ihres Heimatdialektes aufmerksam gemacht. SyHD untersucht aber weder das eine noch das andere, wenngleich unsere Untersuchungen auch zu derartig gelagerten Phänomenen Erkenntnisse liefern. In einem unserer Fragebogen bspw. kam in einer Aufgabe das Verb heiraten vor.
Die Antworten unserer Teilnehmer_innen haben uns gezeigt, dass das Verb heiraten aber nicht überall in Hessen im Dialekt gebräuchlich ist. Es tritt vor allem im Süden und in der Mitte Hessens auf, im Norden hingegen ist nicht von heiraten, sondern von freien die Rede.
Das Verb freien geht zurück auf mittelhochdeutsch, mittelniederdeutsch (eine Sprachform des Niederdeutschen im hohen Mittelalter) und mittelniederländisch vrīen und wird in den nördlichen Dialekten Hessens noch heute in der Bedeutung von ‚heiraten’ gebraucht (vgl. Pfeifer 1993: 372–373). Im Hochdeutschen ist freien heute nicht mehr gebräuchlich; nach Aussage des Duden (2011: 636) gilt das Verb als veraltet.
Da Lautung und Wortschatz der Dialekte bereits gut erforscht sind, liegt der Fokus von SyHD auf einem anderen Gebiet: Der Syntax. Das ist die Lehre vom Bau der Sätze. Dieser Bereich wurde in der Sprachwissenschaft lange vernachlässigt und sogar als „Stiefkind der Mundartforschung“ bezeichnet (Schwarz 1950: 118). In den letzten Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass sich die deutschen Dialekte auch syntaktisch voneinander unterscheiden, was zur Etablierung der Dialektsyntax als neuer Forschungsbereich innerhalb der Dialektologie geführt hat (vgl. Fleischer/Schallert 2011: 29). Wie der Projektname schon sagt, untersucht SyHD also die Syntax bzw. den Satzbau der Dialekte Hessens (und einiger angrenzender Dialekte außerhalb Hessens, die als Vergleichspunkte dienen) bzw. eine Vielzahl unterschiedlicher Phänomene, die in den Bereich des Satzbaus fallen:
Phänomene (Auswahl) | Beispiele |
---|---|
Artikelsetzung vor Eigennamen | (die/das/es) Emma, (der) Klaus |
Gebrauch von Perfekt und Präteritum | Damals wohnten (haben) wir in dem braunen Haus neben der Kirche (gewohnt). |
Bildung des Konjunktivs mit würde oder täte | Mich würde/täte ja mal interessieren, ob der jemals heiraten wird. |
Abfolge mehrerer aufeinanderfolgender Verben im Satz | ..., dass wir das Buch bis am Freitag gelesen haben müssen/müssen gelesen haben/gelesen müssen haben. |
Relativsatzanschluss mit das, das, (das) wo | Das Geld, das/was/(das) wo ich verdiene, gehört mir. |
Gebrauch von als und wie | Die Tür ist ja breiter wie/als/als wie (dass) hoch. |
Abfolge von Pronomen im Satz | Sie hat es mir/mir es gestern erst erzählt. |
Doppelte und mehrfache Verneinung | Früher hat für so etwas keiner/keiner kein Geld/keiner kein Geld nicht gehabt. |
SyHD zeigt, dass syntaktische Unterschiede nicht nur zwischen den Dialekten Hessens und dem Hochdeutschen bestehen – in der Sprachwissenschaft ist übrigens eher von Standarddeutsch als von Hochdeutsch die Rede, da mit dem Begriff „Hochdeutsch“ immer auch eine gewisse Wertung verbunden wird –, sondern auch innerhalb der Dialekte Hessens selbst. Wenn man sich beispielsweise den Relativsatzanschluss etwas genauer anschaut, wird deutlich, dass dieser in und um Hessen unterschiedlich gebildet werden kann. Im Hochdeutschen werden Relativsätze, die sich auf ein Substantiv im übergeordneten Satz beziehen, mit den Pronomen der, die, das oder welch- (eher altertümlich) eingeleitet (vgl. Duden 2016: 302). In einer Übersetzungsaufgabe aus einem der SyHD-Fragebogen war ein Relativsatz mit das, also entsprechend der standardsprachlichen Variante, vorgegeben. Die Aufgabe unserer Teilnehmer_innen bestand nun darin, diesen Satz in ihren Dialekt bzw. ihr Platt zu übersetzen.
Da Relativsätze im Dialekt, wie schon gesagt, unterschiedlich angeschlossen werden können, z.B. mit das, was, wo oder das wo, haben die Übersetzungen unserer Teilnehmer_innen zu interessanten Erkenntnissen bezüglich des Vorkommens und der arealen Verteilung dieser Varianten auf die Dialekte Hessens geführt. Neben arealen Präferenzen für bestimmte Varianten zeigen sich auch Unterschiede in der Häufigkeit bestimmter Anschlussmöglichkeiten:
Wenngleich im Großteil des Untersuchungsgebietes, wie auch im Hochdeutschen üblich, der Relativsatzanschluss mit das (476 Belege) überwiegt, ist auch die Variante mit was (404 Belege) häufig belegt. Eine charakteristische Verteilung der genannten Varianten ist jedoch nicht erkennbar; sie sind praktisch im gesamten Untersuchungsgebiet belegt, wobei im Süden Hessens angrenzend an Bayern, Baden-Württemberg und den Süden von Rheinland- Pfalz verstärkt Belege für den Relativsatzanschluss mit wo (85 Belege) auftreten, während der Anschluss mit das wo (2 Belege) die absolute Ausnahme bleibt.
Die Aufgabe hat zudem gezeigt, dass in bestimmten Regionen Hessens neben bzw. statt gehört mir auch ist mir (im Sinne von ʻgehört mir’) gesagt werden kann. Die Vorgabe Das Geld, das ich verdiene, gehört mir wurde insbesondere im Süden und in der Mitte Hessens teils als Das Geld, das ich verdiene, ist mir übersetzt, was in den nördlichsten Dialekten Hessens, den niederdeutschen Dialekten Westfälisch und Ostfälisch, hingegen vollkommen ausgeschlossen ist.
2. Fragen zu den am Projekt teilnehmenden Orten
a) Welche Orte haben an der Befragung teilgenommen?
An unseren schriftlichen Befragungen – wir haben insgesamt vier Fragebogen an unsere Teilnehmer_innen verschickt – haben ca. 160 Orte in Hessen und 12 Orte außerhalb von Hessen teilgenommen. Die außerhessischen Orte liegen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen und Niedersachsen. Sie wurden in einer Art Ellipse um Hessen herum angeordnet und dienen „als Anhaltspunkte für die syntaktische Variation außerhalb des untersuchten Gebietes“ (Fleischer/Kasper/Lenz 2012: 5). Schriftliche Vorerhebungen, die u.a. dazu dienten, Aufgaben zu testen und Fehlerquellen zu identifizieren, fanden zusätzlich an etwa 60 Orten innerhalb Hessens sowie am Hessentag 2010 in Stadtallendorf statt. Einige der Erhebungsorte innerhalb Hessens nahmen zudem an einer mündlichen Befragung durch unsere Mitarbeiter_innen teil.
b) Wie wurden die teilnehmenden Orte ausgewählt?
Ausschlaggebend für die Auswahl unserer Erhebungsorte war in erster Linie die Ortsgröße. Entsprechend wurde eine Obergrenze von 1.500 und eine Untergrenze von 500 Einwohnern festgesetzt. Die Obergrenze ist dadurch zu erklären, dass SyHD den tiefsten noch in einem Ort vorhandenen Dialekt, der von der älteren Generation gesprochen wird, als Untersuchungsziel hat. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Basisdialekt, den u.a. Schmidt (1998: 166) als „standardfernste Sprechlage der jeweils ältesten immobilen Sprecher“ beschreibt. Für zu große Orte wurde daher die Gefahr darin gesehen, dass der tiefste Dialekt dort nicht mehr gesprochen wird und der Einfluss des Hochdeutschen bereits zu groß sein könnte. Die Untergrenze von 500 Einwohnern erklärt sich durch den zu befürchtenden Mangel an Dialektsprecher_innen in zu kleinen Orten (vgl. Fleischer/Kasper/Lenz 2012: 5). Bei der Auswahl geeigneter Orte wurde zudem berücksichtigt, ob für die Orte Sprachaufnahmen, Fachliteratur etc. vorhanden waren. Als vorteilhaft für die Akquise von TeilnehmerInnen hat sich auch das Vorhandensein von ortsansässigen Heimatvereinen, Mundartgruppen etc. erwiesen. Um eine gleichmäßige Verteilung der Erhebungsorte auf Hessen zu gewährleisten, wurde eine Gitternetzstruktur über Hessen gelegt. Das Bundesland wurde so in 165 Planquadrate unterteilt, aus denen auf Basis der beschriebenen Kriterien je Planquadrat jeweils ein Ort als Erhebungsort ausgewählt wurde.
c) Warum ist unser Heimatort nicht dabei?
Wenn Ihr Heimatort nicht unter unseren Erhebungsorten ist, kann das unterschiedliche Gründe haben. Möglicherweise ist er zu groß oder zu klein. Das heißt, die von Seiten des Projektes festgelegte Ober- oder Untergrenze an Einwohnern kann hier den Ausschlag gegeben haben. Zudem haben wir auf eine gleichmäßige Verteilung der ca. 160 Erhebungsorte auf das Bundesland Hessen geachtet. Daher haben wir auch nicht in direkt nebeneinanderliegenden Ortschaften erhoben, sondern Hessen großflächig in Planquadrate aufgeteilt. Natürlich hatten wir nicht immer Erfolg bei der Akquise. Manchmal konnten wir in einem Ort keine oder nicht ausreichend Interessierte für unser Projekt gewinnen – unsere absolute Untergrenze liegt bei drei Teilnehmern pro Erhebungsort –, sodass wir einen neuen Ort auswählen mussten und die Akquise von Neuem begann. Da unsere schriftliche Erhebung über einen längeren Zeitraum hinweg stattfand, kam es im Laufe der Zeit auch vor, dass wir Orte ersetzen mussten, da die ursprünglich ausreichende Teilnehmerzahl auf weniger als drei geschrumpft war. Es kann also auch sein, dass Ihr Ort ursprünglich dabei war, in späteren Erhebungen aber nicht mehr auftaucht, da aus den unterschiedlichsten Gründen die Teilnehmerzahl unter unsere Untergrenze gefallen ist. Teilweise haben uns Zuschriften nicht nur aus unseren Erhebungsorten, sondern auch aus Nachbarorten erreicht. Das war z.B. der Fall, wenn Fragebogen von unseren Teilnehmer_innen weitergereicht oder dupliziert wurden. In solchen Fällen kam es auch vor, dass sehr nahe gelegene Orte zusammengelegt wurden. Insbesondere dann, wenn für den eigentlichen Erhebungsort aufgrund einer zu geringen Teilnehmerzahl die Gefahr bestand wegzufallen.
3. Fragen zu den Teilnehmer_innen
a) Wie viele Personen haben an den Befragungen teilgenommen?
Die insgesamt vier Fragebogen unserer schriftlichen Befragung wurden über einen längeren Zeitraum hinweg versandt (von 2010 bis 2014), weshalb wir von Befragung zu Befragung einen gewissen Verlust an Teilnehmer_innen zu verzeichnen hatten. Dennoch haben ganze 777 Personen alle unsere Fragebogen, das heißt Fragebogen 1 bis Fragebogen 4, ausgefüllt.
Schriftliche Befragung | Teilnehmerzahl |
---|---|
Fragebogen 1 | 1017 |
Fragebogen 2 | 874 |
Fragebogen 3 | 842 |
Fragebogen 4 | 798 |
Total Fragebogen 1 bis 4 | 3531 |
Fragebogen 1, 2, 3 und 4 von der gleichen Person beantwortet | 777 |
Im Anschluss an unsere schriftliche Befragung, die in der Sprachwissenschaft auch als indirekte Methode oder Erhebung bezeichnet wird, fanden im Großteil unserer Erhebungsorte innerhalb Hessens (an 143 Orten) zusätzliche mündliche Befragungen statt. Mitarbeiter_innen des Projektes reisten in die entsprechenden Erhebungsorte und führten vor Ort, in der Regel bei den Projektteilnehmer_innen daheim, Befragungen durch. Die mündlichen Befragungen (auch: direkte Methode bzw. Erhebung) dienten der Überprüfung und Validierung der indirekt gewonnenen Daten sowie der Detailuntersuchung einzelner Phänomene. Aufgrund begrenzter zeitlicher und personeller Kapazitäten konnten diese aber nur bei einem_er ausgewählten Dialektsprecher_in je Ort durchgeführt werden.
b) Nach welchen Kriterien wurden die Teilnehmer_innen ausgewählt?
Bei den Teilnehmer_innen von SyHD handelt es sich um ältere, möglichst ortsfeste und dialektkompetente Personen. Als besonders ortsfest galt für uns dabei, wer in dem von uns ausgewählten Erhebungsort aufgewachsen war, im Laufe seines Lebens keine allzu langen Aufenthalte außerhalb dieses Ortes verbracht hatte und zudem angeben konnte, dass zumindest einer der Elternteile ebenfalls aus diesem Ort stammte. Die Akquise von Teilnehmer_innen erfolgte über Gemeindeverwaltungen, Bürgermeister, Ortsvorsteher, Ortshistoriker, Vereine (u.a. Heimatvereine, Mundartgruppen, Landfrauen) und interessierte Dialektsprecher_innen.
4. Fragen zum Fragebogen
a) Was ist der Unterschied zwischen „Platt“, „Dialekt“ und „Mundart“?
Auf den ersten Seiten unseres Fragebogens wurden unsere Teilnehmer_innen gefragt, wie sie die ortstypische Sprechweise der ältesten Einwohner ihres Heimatortes bezeichnen. Vorgegeben waren die Antwortmöglichkeiten „Platt“, „Dialekt“ und „Mundart“. Bei Bedarf konnte eine zusätzliche Bezeichnung notiert werden. Hier wurden in der Regel Bezeichnungen wie „Platt“ oder „Dialekt“ mit Orts-oder Regionalnamen kombiniert, u.a. wurden das „Schwälmer Platt“, das „Meinerküser Platt“ und das „Gilserberger Platt“ genannt (vgl. dazu Niebaum/Macha 2014: 4). In der Forschungsliteratur werden die Termini „Dialekt“und „Mundart“ oft synonym verwendet, wenngleich es in der Vergangenheit immer wieder Bestrebungen gab zwischen den Bezeichnungen zu unterscheiden, z.B. bei Jacob Grimm (1848: 829), der Dialekte als große und Mundarten als kleine Geschlechter bezeichnete(vgl. Niebaum/Macha 2014: 3). Im Rahmen sprachpuristischer Bestrebungen kam es nach 1933 zudem zu einer Aufwertung des Begriffes „Mundart“, während der Terminus „Dialekt“ aufgrund seiner fremdartigen Herkunft – er stammt ursprünglich aus dem Griechischen – abgelehnt wurde (vgl. Niebaum/Macha 2014: 3–4). Dennoch hat sich die Bezeichnung „Dialekt“ gegenüber „Mundart“ sowohl in der Wissenschaft als auch unter den Dialektsprecher_innen selbst durchgesetzt (vgl. Niebaum/Macha 2014: 4). Von „Mundart“ hingegen ist vor allem in Zusammenhang mit Mundart-Kolumnen die Rede (vgl. Niebaum/Macha 2014: 242–243). Der Begriff „Platt“ wiederum hat eine wechselhafte Geschichte. Er wurde in der Literatur immer wieder mit einer bestimmten Region, u.a. dem „platten Land“, teils aber auch einer bestimmten Bevölkerungsschicht in Verbindung gebracht und dabei nicht selten mit einem negativen Anstrich versehen. Und das obwohl der Begriff ursprünglich sprachqualifizierend gebraucht und mit Adjektiven wie „deutlich“, „verständlich“, „vertraut“, „rund heraus“ etc. in Verbindung gebracht wurde. Vollkommen ohne Wertung fand die Bezeichnung „Platt“ erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Verwendung (vgl. Niebaum/Macha 2014: 4–5).
Unsere Befragung hat nun bestätigt, dass von „Platt“ weit über das „platte Land“ hinaus die Rede ist. Denn auch in Hessen wird „Platt“ gesprochen, was die folgende Kartendarstellung zeigt:
Von den 1210 Angaben, die bei der Frage nach der ortstypischen Sprechweise der ältesten Ortseinwohner insgesamt gemacht wurden, entfielen ganze 923 Angaben auf die Bezeichnung „Platt“, 157-mal wurde die Bezeichnung „Dialekt“ und noch etwas seltener, nur 130-mal, die Bezeichnung „Mundart“ gewählt. Der Terminus „Platt“ wird dabei beinahe über das gesamte Untersuchungsgebiet hinweg gebraucht. Im Norden Hessens und darüber hinaus, z.B. in Nordrhein-Westfalen, werden kaum andere Bezeichnungen akzeptiert. Gen Süden allerdings nimmt der Gebrauch der Termini „Mundart“ und „Dialekt“ zu. In den an Hessen angrenzenden südlichen Bundesländern, z.B. Baden-Württemberg, wird der Terminus „Platt“ schließlich gar nicht mehr verwendet.
b) Warum entspricht der Dialekt, der im Fragebogen verwendet wird, nicht eins zu eins unserem Ortsdialekt?
Unsere Fragebogen wurden „dialektalisiert“, das heißt sie wurden sprachlich, z.B. lautlich und lexikalisch, an die Dialekträume angepasst, in die sie versandt wurden (vgl. Fleischer/Kasper/Lenz 2012: 11), sodass in bestimmten Dialekten ick statt ich oder semelieren statt nachdenken vorgegeben war. Einige unserer Teilnehmer_innen waren mit diesen „Dialektalisierungen“ bezogen auf ihren Ortsdialekt nicht immer ganz einverstanden. Zudem kamen immer wieder Hinweise auf wie „Im Nachbarort sprechen sie ganz anders als wir“ oder „Die hessischen Dialekte sind von Dorf zu Dorf verschieden“. Und Hessen ist dialektal tatsächlich sehr vielfältig. Das Bundesland vereint zahlreiche Dialekte und dialektale Übergangsgebiete in sich, die anhand bestimmter, vor allem lautlicher Kriterien, definiert und voneinander abgegrenzt werden können. Als dialektale Großräume finden sich in Hessen neben dem Zentral-, Nord-und Osthessischen auch der rheinfränkische und der niederdeutsche Dialektraum sowie zahlreiche Übergangsgebiete zu anderen Dialekten, etwa dem Thüringischen und dem Ostfränkischen (vgl. Wiesinger 1983: 846–855, Fleischer et al. 2015: 261–262).
Im Rahmen unserer insgesamt 17 „Dialektalisierungen“ für Hessen haben wir uns an solchen dialektalen Großräumen und Übergangsgebieten orientiert und nicht an einzelnen Ortsdialekten. Da wir unsere Fragebogen in ganz Hessen verschickt haben, konnten wir natürlich nicht für jeden Ort eine Eins-zu-eins-Übersetzung des Fragebogens in den jeweiligen Ortsdialekt leisten. Nicht nur, dass der Arbeitsaufwand bei rund 160 Erhebungsorten in Hessen zu groß gewesen wäre, wir selbst beherrschen natürlich auch nicht jeden(Orts-)Dialekt, der in Hessen gesprochen wird. Unsere Teilnehmer_innen haben ja selbst auch ganz richtig erkannt, dass Hessisch nicht gleich Hessisch ist. Wir haben uns also an generellen Merkmalen von Dialekträumen orientiert, lokale und großlandschaftliche Dialektwörterbücher, Ortsgrammatiken und nach Abschluss der ersten schriftlichen Erhebungsrunde auch zurückgesandte Fragebogen unserer Teilnehmer_innen zu Rate gezogen. Natürlich können bei einer „Dialektalisierung“ nach Dialekträumen Besonderheiten einzelner Ortsdialekte nicht immer berücksichtigt werden. Klar ist auch, dass die zahlreichen Orte, die in einen Dialektgroßraum fallen, nicht eins zu eins in ihrem Dialekt übereinstimmen können, wenngleich grundlegende Eigenschaften des Dialektraums, z.B. hinsichtlich der Lautung, auch für alle Orte gleich sein mögen. Wir mussten bei unseren „Dialektalisierungen“ zudem auch darauf achten, die Verständlichkeit des Fragebogens für all unsere Teilnehmer_innen aus einem Dialektgroßraum zu garantieren. Hätten wir uns zu stark an einzelnen Ortsdialekten orientiert, wäre das eventuell nicht möglich gewesen.
c) Wie sollen wir unseren Dialekt, den wir doch eigentlich nur sprechen, verschriftlichen?
Natürlich sind Dialekte mündliche Sprachformen. Sie werden gesprochen, nicht geschrieben. Es existieren im Vergleich zum Hochdeutschen auch keine Regelwerke, nach denen man sich bei der Verschriftlichung richten könnte. Zwar finden sich in lokalen Tageszeitungen, Heimatbüchern etc.immer wieder Kolumnen oder Gedichte in Mundart, aber auch hier ist es im Endeffekt dem Schreiber selbst überlassen, wie er die Mundart wiedergibt. Da wir im Rahmen unseres Projektes den Satzbau untersuchen, war es für uns aber auch gar nicht so wichtig, wie einzelne Wörter oder Laute niedergeschrieben wurden. Zudem gibt es beim Verschriftlichen des Dialekts kein „Richtig“ oder „Falsch“. Ausschlaggebend ist das eigene Sprachgefühl. Uns war nur wichtig, dass unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer wirklich im eigenen Dialekt und nicht auf Hochdeutsch geantwortet haben. Unsere „Dialektalisierungen“ waren hier auch als eine Art Hilfestellung gedacht, die es ihnen erleichtern sollte, im eigenen Dialekt zu antworten.
5. Literatur
AdA = Atlas zur deutschen Alltagssprache (2003–). Herausgegeben von Stephan Elspaß/Robert Möller. [URL: www.atlas-alltagssprache.de]
Duden (2011): Deutsches Universalwörterbuch. 7., überarbeitete und erweiterte Auflage. Mannheim, Zürich: Dudenverlag.
Duden (2016): Duden. Die Grammatik. Unentbehrlich für richtiges Deutsch.Herausgegeben von der Dudenredaktion. 9., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. (Duden 4.) Berlin: Dudenverlag.
Fleischer, Jürg/Oliver Schallert (2011): Historische Syntax des Deutschen. Eine Einführung. Tübingen: Narr.
Fleischer, Jürg/Simon Kasper/Alexandra N. Lenz (2012): Die Erhebung syntaktischer Phänomene durch die indirekte Methode: Ergebnisse und Erfahrungen aus dem Forschungsprojekt „Syntax hessischer Dialekte“ (SyHD). In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 1: 2-42.
Fleischer, Jürg/Alexandra N. Lenz/Helmut Weiß (2015): Das Forschungsprojekt „Syntax hessischer Dialekte (SyHD)“. In: Kehrein, Roland/Alfred Lameli/Stefan Rabanus (Hgg.): Areale Variation des Deutschen. Projekte und Perspektiven. Berlin/Boston: de Gruyter: 261–287.
Grimm, Jacob (1848): Geschichte der deutschen Sprache. Bd. 1.-2. Leipzig: Weidmann. Niebaum, Hermann/Jürgen Macha (2014): Einführung in die Dialektologie des Deutschen. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin/Boston: de Gruyter (Germanistische Arbeitshefte 37).
Pfeifer, Wolfgang (1993): Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 2., durchgesehene und ergänzte Auflage. Berlin: Akademie Verlag (Deutscher Taschenbuch Verlag).
Schmidt, Jürgen Erich (1998): Moderne Dialektologie und regionale Sprachgeschichte. In: Zeitschrift für deutsche Philologie117, Sonderheft:Regionale Sprachgeschichte:163–179.
Schwarz, Ernst (1950): Die deutschen Mundarten. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Wiesinger, Peter (1983): Die Einteilung der deutschen Dialekte. In: Besch, Werner et al. (Hgg.): Ein Handbuch zur deutschen und allgemeinen Dialektforschung. 2. Halbbd. Berlin/New York: de Gruyter (Handbücher zur Sprach-und Kommunikationswissenschaft 1.2): 807–900.